BIANCA EXKLUSIV Band 0181
Männerstimme.
„Paige?“
Sie fuhr zusammen, obwohl sie geahnt hatte, dass er auf sie warten würde.
„Hat der Arzt deine Diagnose bestätigt?“
„Ja. Tut mir leid, aber ich kann jetzt nicht mit dir reden.“ Sie schob das Rezept in die Hosentasche ihrer Jeans. „Ich muss das Rezept einlösen und Brodie nach Hause bringen.“
Marc ging neben ihr her und sagte in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete: „Ich fahre euch hin.“
In ihre bescheidene Wohnung am Ende jener schäbigen Sackgasse hinter dem billigen Imbiss? Niemals! „Es geht schon. Ich hab’s nicht weit.“
„Von wegen ‚geht schon‘! Das Kind ist krank, Paige!“
„Der Arzt sagt, dass es sich um das Anfangsstadium von Windpocken handelt. Also eine ganz normale Kinderkrankheit.“ Etwas boshaft fragte sie nach einer kleinen Pause: „Hast du die Windpocken gehabt? Sie sind sehr ansteckend.“
„Ich glaube, ich habe alle Kinderkrankheiten durchgemacht.“ Seine harte, unbeugsame Miene verriet nicht, was er dachte. „Wie steht’s mit dir?“
„Juliette und ich hatten sie gleichzeitig. Ich habe Juliette damals angesteckt, soweit ich mich entsinne.“ Berührte es ihn, dass sie den Namen seiner verstorbenen Frau erwähnte? Paige warf ihm einen forschenden Blick zu. Nein, anscheinend empfand er beim Gedanken an Juliette weder Reue noch Bedauern. Sie wandte den Blick schnell ab, doch er hatte gemerkt, dass sie ihn ansah.
Seine Stimme blieb gelassen. „Ich werde dich trotzdem nach Hause fahren. Gib mir das Rezept. Du kannst mit dem Baby im Auto warten, während ich das Medikament hole.“
Zweifellos hatte er vorhin registriert, wie heftig sie auf ihn reagiert hatte. Schon mit zweiunddreißig hatte Marc Corbett sein ansehnliches Familienerbe durch den Einsatz seiner beachtlichen Intelligenz und mit unnachgiebiger Entschlossenheit um etliche Millionen vermehrt.
Und er kannte sich mit Frauen aus.
Paige verbarg ihre Nervosität und wehrte ab. „Vielen Dank, aber mach dir keine Mühe.“
Inzwischen standen sie vor der Apotheke. Paige wandte sich unvermittelt um und trat durch die Tür. Instinktiv wusste sie, dass Marc ihr gefolgt war. Auf leisen Sohlen und so zielstrebig wie ein Raubtier auf der Jagd nach seiner Beute. Was er, genau genommen, ja auch war. Mit gutem Grund hatte die Wirtschaftspresse seinem Vater den Spitznamen „Räuberbaron“ verliehen. Niemand wagte es, Marc, der in die Fußstapfen des Vaters getreten war, ähnlich zu titulieren. Aber Paige hatte die Zeitungsberichte über seinen unaufhaltsamen Aufstieg verfolgt und wusste, dass Marc seinen Gegnern Respekt und Furcht einflößte.
Brodie begann zu weinen. Unruhig warf er den Kopf hin und her und strampelte heftig.
„Schsch, mein Liebling.“ Paige hielt ihn im linken Arm, während sie versuchte, mit der freien Hand das Rezept aus der Hosentasche zu ziehen. „Sei ruhig, mein Kleiner. Wenn du deine Medizin genommen hast, geht es dir gleich viel besser!“
„Gib ihn mir“, befahl Marc.
Überrascht sah sie ihn an. „Er mag keine Fremden.“
Marc zog eine Braue hoch und sah sie ironisch lächelnd an. Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus.
„Dann halte du das Kind, und gib mir das Rezept!“
„Ich schaffe es allein!“ Doch in diesem Moment versteifte sich Brodie.
Zum Glück wand er sich nicht in Krämpfen wie zuvor, sondern fing nur an, aus Leibeskräften zu schreien. Paige versuchte, ihn zu beruhigen. Marc griff ihr kurzerhand in die Hosentasche und förderte das Rezept zu Tage.
„Warte hier!“ Zielstrebig ging er zum Verkaufstresen.
Natürlich wurde er sofort bedient. Paige beobachtete ihn, während sie sich um das weinende Baby kümmerte. Dass Marc eine so überwältigende Wirkung auf sie ausübte – die Stelle, wo er in ihre Hosentasche gefasst hatte, fühlte sich ganz heiß an –, war sicher zum Teil auf sein Aussehen und seine Präsenz zurückzuführen. Er besaß breite Schultern und die schmalen Hüften und langen, muskulösen Beine eines Athleten. Noch faszinierender aber fand sie seine Ausstrahlung von Macht und Autorität. Sie verhalf ihm jetzt dazu, dass er widerspruchslos vorgelassen und unverzüglich nach seinen Wünschen gefragt wurde, obwohl eine ganze Reihe von Kunden wartete. Paige fand ihn unwiderstehlich.
Doch natürlich kam er für sie nicht infrage.
Aber warum war sie dann so erleichtert? Warum fühlte sie sich, als hätte sie die vergangenen sechs Jahre in einem albtraumhaften Zustand verbracht und wäre endlich daraus
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