BIANCA EXKLUSIV Band 0181
kleinen Stich im Herzen. Schließlich würde er in wenigen Tagen wieder nach London verschwinden. Wenn sie sich nur selbst trauen könnte!
Sie achtete sorgfältig darauf, nicht wieder auf derselben Welle mit ihm zu landen, und arbeitete sich Stück für Stück weiter den Strand entlang. Es wurde langsam voll im Wasser. Die Touristen schienen ihr Frühstück beendet zu haben. Ein stetiger Strom von Menschen kam den steilen Pfad vom Parkplatz oberhalb der Klippen herab. Kinder quietschten vergnügt, als sie endlich den Strand erreichten und sich ins Wasser stürzen konnten. Bald würde es unmöglich sein, eine Welle gefahrlos abzureiten.
Wenn sich ihre schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sollten, würde sie bald überhaupt nicht mehr surfen können. Sie wollte noch immer nicht daran glauben, doch als sie vorhin ihren Anzug schließen wollte, hatte der Reißverschluss etwas mehr gespannt als gewöhnlich.
Noch diese eine letzte Welle, nahm sie sich vor. Dann würde sie für heute Schluss machen. Sie wartete und blickte prüfend hinaus auf die Wellen, die unablässig vom Atlantik heranrollten. Für den letzten Ritt des Tages sollte es eine besonders gute sein. Die Dünung rollte lang und gleichmäßig, aber hin und wieder war eine Woge größer als alle anderen. Sam paddelte noch ein wenig weiter hinaus und ließ mehrere Gelegenheiten passieren, bis sie sicher wusste … diese war es.
Sie wendete das Brett und paddelte, so schnell sie konnte. Sie spürte, wie die Welle von hinten heranrauschte und sie mit einer Kraft anhob, die ihr fast den Atem nahm. Gerade noch rechtzeitig war sie auf den Füßen, als das Brett die Nase senkte und auf der Vorderfront der Welle hinabschoss. Hinter ihr rollte sich der Gipfel des aufgetürmten Wassers und stürzte tosend in einem gewaltigen Schaumberg in sich zusammen.
Es war eine riesige Welle. Die größte, auf der sie je geritten war. Sie spürte die Gewalt des Wassers unter ihren Füßen. Mit gebeugten Knien hielt sie die Balance und nutzte gekonnt die Kraft der Welle. Es hatte ohnehin keinen Zweck, dagegen anzukämpfen. Ein Stückchen weiter schrien ein paar junge Burschen vor Vergnügen, und beinahe hätte sie mit eingestimmt. Es war ein unglaubliches Gefühl, mit der Naturgewalt zu spielen.
Der Junge erschien wie aus dem Nichts. Seine blauen Baumwollshorts umflatterten nass seine blassen Beine. Er wedelte wild mit den Armen und versuchte vergeblich, sein Gleichgewicht zu halten. Er fiel auf die Knie, und als sein Brett kippte, öffnete er den Mund zu einem stummen Schrei. Dann stürzte er kopfüber ins Wasser. Sam riss ihr Brett herum und verfehlte den Kopf des Jungen nur um wenige Zentimeter. Doch das Manöver kostete sie die Balance. Die Welle türmte sich über ihr auf, und dann schien es, als würde der Himmel über ihr einstürzen.
Sie stieß das Brett von sich, so weit sie konnte, und füllte die Lungen mit Luft, ehe sie auf dem Wasser aufschlug. Sie legte das Kinn an die Brust, schlang die Arme um den Kopf und rollte sich zu einem Ball zusammen. Mit geschlossenen Augen hoffte sie, dass sie nirgendwo aufprallte. Dann würde die Welle einfach über sie hinwegrauschen und sie hinter sich wieder auftauchen lassen.
Doch so einfach sollte es nicht werden. Das tosende Wasser drückte sie immer tiefer hinab. Sie verlor die Orientierung. In ihren Ohren begann es zu dröhnen. Sie versuchte, den Kopf mit den Armen geschützt zu halten, doch das Wasser zerrte von allen Richtungen an ihr. Plötzlich bekam sie einen Schlag gegen die Stirn. Ihr eigenes Surfbrett wurde im Rückstrom der Welle auf sie zugeschleudert!
Halb benommen versuchte sie, den Weg an die Oberfläche zu finden. Sie schluckte Wasser und rang nach Luft. Auf einmal legte sich ein starker Arm um ihre Taille und zog sie aus dem tosenden Chaos. Sam merkte kaum, dass es Aidan Harper war, der sie an den Strand trug. Vorsichtig legte er sie an der Wasserkante in den nassen Sand. Er kniete neben ihr nieder und sah stirnrunzelnd zu, wie sie nach und nach zu sich kam. Schließlich konnte sie wieder sprechen. „Vielen Dank. Jetzt geht es wieder.“
„Das ist eine schlimme Beule“, stellte er fest und strich ihr eine nasse Haarsträhne aus der Stirn. „Die sollte sich ein Arzt ansehen.“
„Nein, nein, es geht schon“, wehrte Sam heftig ab.
„So sehen Sie aber gar nicht aus“, beharrte er. „Sie sind kreidebleich.“
Sam spürte das starke Verlangen, sich an diese beschützende Schulter zu lehnen. Doch solche
Weitere Kostenlose Bücher