BIANCA EXKLUSIV Band 0181
hin. Näher konnte ein Mensch dem Gefühl zu fliegen kaum kommen.
Ein paar Meter von ihr entfernt ritt ein anderer Surfer auf der derselben Welle. Sie warf ihm einen raschen Seitenblick zu, um sicherzugehen, dass sie nicht auf Kollisionskurs lagen. Der eng anliegende, nass glänzende Neoprenanzug betonte die athletische, breitschultrige Gestalt des Mannes, der sein Brett mühelos und elegant in rasender Fahrt genau am Rand der Schaumkrone hielt.
Ihr Herz schlug schneller. Er hatte ihr den Rücken zugewandt, doch Aidan Harper war nicht zu verwechseln.
Was hatte er hier zu suchen? Dies war ihr Revier! Um diese Jahreszeit kam sie gewöhnlich jeden Tag zum Schwimmen oder Surfen. Er hatte kein Recht, hier einzudringen. Außerdem hatte sie erwartet, dass er längst samt seiner glamourösen Freundin in London wäre. Dort gehörte er hin … obwohl er auf dem Surfbrett eine ebenso gute Figur machte wie vermutlich in einem Konferenzraum in der Stadt.
Sie wandte den Blick von ihm ab und konzentrierte sich auf ihre eigene Fahrt. Routiniert umkurvte sie einen Anfänger, dem die Wellen seine Fehler nicht verziehen hatten. Sanft ließ sie ihr Brett ausgleiten. Bevor die Finne auf den Sand stieß, sprang sie ab.
Sie griff ihr Brett und wollte sich, ohne Atem zu holen, erneut in die Wogen stürzen. Sie wollte nur fort von hier, weiter den Strand entlang, bevor Aidan sie entdeckte. Doch sie hatte kein Glück.
„Sam? Hallo, guten Morgen.“ Er schien erstaunt, sie zu sehen. Die Höflichkeit gebot, dass sie ihm wenigstens ein flüchtiges Lächeln schenkte, doch er schien das als Ermutigung aufzufassen. Er nahm sein Brett und watete neben ihr durch das Wasser. „Wunderbares Wetter zum Surfen“, stellte er freundlich fest.
„Ja“, erwiderte sie spröde. „Wenn der Wind aus Südosten weht, können die Wellen drei bis vier Meter hoch werden. Aber das muss Ihnen ziemlich harmlos vorkommen, wenn Sie an Hawaii oder Kalifornien gewöhnt sind.“
„Mag sein.“ Amüsiert warf er ihr einen Seitenblick zu. „Aber jetzt bin ich in Cornwall. Ich versuche immer, das Beste aus der Situation zu machen.“
Darauf fiel Sam keine vernünftige Antwort ein. Ihr Gehirn schien sich abgeschaltet zu haben. Glücklicherweise hatten sie jetzt tieferes Wasser erreicht. Sie legte sich auf ihr Surfbrett und paddelte schnell auf die nächste brechende Welle zu.
Aidan blieb mühelos an ihrer Seite. „Ich habe gesehen, wie Sie vorhin auf der Welle geritten sind“, stellte er fest. „Sie sind ziemlich gut. Wo haben Sie surfen gelernt? Hier?“
„Nein.“ Warum brachte sie es nicht fertig, ihm zu sagen, dass er verschwinden und sie in Ruhe lassen solle? „Zu Hause.“
„Zu Hause?“
„In Swansea“, erklärte sie zögernd.
„Ach ja.“ Er nickte. „Es gibt ein paar gute Strände um Gower herum.“
„Sie kennen die Gegend?“, fragte sie überrascht.
„Ich bin ein paar Mal dort gewesen. Eine meiner Firmen besitzt Land in der Gegend.“
„Ich verstehe.“ Eine meiner Firmen besitzt Land in der Gegend. Er sprach davon so beiläufig, als ginge es um einen Fernseher oder ein Auto. Halte dich von ihm fern, Sam, warnte sie sich stumm. Er spielt in einer anderen Liga … finanziell, in sexueller Hinsicht und in jeder anderen auch.
„Sind Sie dort viel gesurft?“, fragte er. So leicht schien er nicht aufzugeben.
Sie antwortete mit einem Kopfnicken. „Als ich noch zur Schule ging … oder jedenfalls in der Schule hätte sein sollen“, fügte sie verlegen lächelnd hinzu.
Er erwiderte ihr Lächeln, und Sam spürte den nun schon vertrauten Stich in ihrem Herzen. „Haben Sie oft geschwänzt?“
„Manchmal schon. Ja … ziemlich oft“, gestand sie und dachte an die schreckliche Zeit, die sie mit ihrer Cousine in derselben Klasse verbringen musste.
„Dann waren Sie also ein schwieriges Kind?“, fragte Aidan weiter.
„Ich fürchte, ja. Ich habe mich nie anpassen können. Das einzige Schulfach, das mir wirklich gefiel, war Kunst.“ Sie hatte völlig vergessen, dass sie nicht mit ihm reden wollte. Die Sonne schien ihr warm auf den Rücken, und es war schön, auf dem in den Wellen schaukelnden Surfbrett zu liegen.
„Die Lehrerin war richtig nett. Sie hieß Mrs. Mason, aber wir durften sie Maggie nennen. Sie war die Einzige, mit der ich zurechtkam. Ich habe viel von ihr gelernt. Einmal habe ich sogar einen nationalen Preis gewonnen.“ Sam strahlte vor Stolz bei der Erinnerung. „Es war eine Katze aus Pappmaché. Eine Pfote war ein
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