BIANCA EXKLUSIV Band 0181
ein Stück die Straße entlang eine Bushaltestelle. Dort wartete bereits ein junger Mann. Er tanzte selbstvergessen zur Musik aus seinem i Pod und schien in seiner eigenen Welt zu leben. Sam sah ihn ein wenig unsicher an, doch als er ihr Zögern bemerkte, lächelte er aufmunternd und nahm seine Kopfhörer aus den Ohren.
„Entschuldigen Sie“, begann sie. „Wissen Sie, wo ich hier einen Bus nach Richmond finde?“
Das Lächeln wurde breiter. „Na klar, Lady. Gleich da drüben auf der anderen Straßenseite. Der bringt sie geradewegs dorthin.“ Er deutete mit einem Kopfnicken auf die nur wenige Meter entfernte Haltestelle. „Es müsste auch jeden Moment ein Bus kommen.“
„Vielen Dank.“ Sam erwiderte sein Lächeln. Sie war froh, einen so freundlichen Menschen getroffen zu haben. Sie hatte nicht viel Geld bei sich, aber für eine einzelne Fahrkarte würde es wohl reichen. Sie überquerte die Straße, und tatsächlich erschien schon nach wenigen Minuten der vertraute rote Umriss an der nächsten Kreuzung. Der junge Mann auf der anderen Straßenseite winkte ihr fröhlich zu, während sich seine Füße weiter im Takt der für Sam unhörbaren Musik bewegten.
Sam kaufte eine Karte beim Fahrer und fand einen Platz im hinteren Teil des Busses. Seufzend sank sie auf den Sitz und streckte die müden Beine aus. Es kam ihr vor, als hätte sie halb London durchquert. Sie musste Stunden gelaufen sein, stellte sie mit plötzlich einsetzendem Schuldbewusstsein fest. Um Chloe machte sie sich keine Sorgen. Mary würde sich bestimmt rührend um sie kümmern. Aber vielleicht machte man sich Gedanken wegen ihres langen Ausbleibens.
Die Fahrt schien eine Ewigkeit zu dauern. Passagiere stiegen ein und aus, und Sam begann zu fürchten, dass der junge Mann sie falsch beraten hatte. Am Ende würde sie sich in Tottenham wiederfinden oder sonst wo, Meilen von ihrem eigentlichen Ziel entfernt.
Schließlich aber begann sie die Umgebung wieder zu erkennen, und erleichtert stieg sie endlich am Fuß von Richmond Hill aus. Inzwischen war es dunkel geworden. In allen Häusern brannte Licht, als sie zu Aidans Haus hinaufging. Erneut spürte sie einen Anflug von Schuldgefühl, doch sie unterdrückte es. Gewiss, sie war ziemlich lange fort gewesen, aber sie war schließlich keine Gefangene. Sie hatte das Recht auf einen Spaziergang, wenn ihr danach war.
Am Eingangstor blieb sie stehen. Es war wirklich ein beeindruckendes Anwesen. Die meisten Menschen würden sie für verrückt erklären, wenn sie diesem Luxus den Rücken kehrte. Doch sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie seufzte. Alles wäre so viel einfacher, wenn Aidan sie nur ein wenig lieben könnte!
Leise öffnete sie die Tür. Im Stillen hoffte sie, ungesehen in ihrem Zimmer verschwinden zu können, doch als sie gerade auf Zehenspitzen mitten in der Halle stand, flog die Tür des Salons auf, und Aidan erschien. „Wo, zum Teufel, bist du gewesen?“, fragte er. Sein Ärger war unüberhörbar.
„Ich … war nur ein bisschen spazieren“, erklärte sie erschrocken. Sein Zustand entsetzte sie. Sie kannte ihn bisher nur als makellose Erscheinung, selbst wenn er Freizeitkleidung trug. Jetzt war sein Haar zerzaust, als hätte er pausenlos mit den Händen darin gewühlt. Der Kragen seines weißen Hemdes war geöffnet, und seine Manschetten waren achtlos aufgekrempelt. In der Hand hielt er ein halb geleertes Whiskyglas. Er wirkte zwar nicht betrunken, doch sein Atem verriet, dass dies nicht sein erstes Glas war.
„Ich … muss hinauf und nach Chloe sehen.“ Etwas anderes fiel ihr so schnell nicht ein. Sie eilte auf die Treppe zu.
Doch Aidan war mit wenigen Schritten bei ihr und hielt sie am Handgelenk fest. „Sie ist nicht hier. Meine Mutter hat sie mitgenommen, da wir keine Ahnung hatten, wann du zurückkehren würdest … und ob überhaupt.“
„Aber natürlich wollte ich zurückkommen!“ Das schlechte Gewissen trieb Sam das Blut ins Gesicht. „Wieso meinst du, ich könnte weglaufen?“
„Deswegen!“
Er hielt ihr ein Stück Papier hin. Es war zerknittert gewesen und sorgfältig wieder geglättet worden. Entsetzt erkannte Sam einen ihrer unvollendeten Briefe an Chloe. Dieses Blatt musste ihr entgangen sein, als sie die Papiere eingesammelt hatte.
„Ich dachte, ich hätte alle weggeworfen“, stieß sie hervor. „Ich wollte doch nicht … ich meine …“
„Ich glaubte, du wärst verschwunden.“ Aidan knallte das Glas auf die Kommode und zog Sam heftig in seine Arme.
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