BIANCA EXKLUSIV Band 0188
Warren International. Schon mal davon gehört?“
Mac kannte den Namen von Stempeln auf Kisten, mit denen er im Laufe der Jahre auf den Docks die Schiffe beladen hatte. „Klar. Import – Export. Sie haben da hineingeheiratet?“
Elliotts Gesichtsmuskeln spannten sich an, wodurch die vom Alkohol bedingte Schlaffheit seiner Züge für einen Moment ausgeglichen wurde. Dann nahm er einen Schluck Whisky und atmete mit einem Zischen aus. „Sie trinken mit dem Verkaufsdirektor für Europa. Und ich besitze ein stattliches Aktienpaket.“
„Klingt, als hätten Sie’s geschafft“, bemerkte Mac.
„Sie wissen doch, wie es ist … reich an Vermögen, arm an Bargeld. Die Tragödie meines Lebens, bis jetzt.“ Er leerte seinen letzten Drink, bestellte aber keinen neuen mehr.
Mac trank sein Bier aus. „Anscheinend haben Sie es aber ganz gut hingekriegt. Allein Ihr Mantel muss doch einiges gekostet haben.“
Elliott zuckte die Schultern. „Fünfhundert. Französische Mode. Man muss schließlich auf seine Erscheinung achten.“ Er lachte rau, zog seine Brieftasche aus der Innentasche seines Mantels und legte einen großen Geldschein auf die Bar.
Mac hatte einen Blick auf eine ganze Palette von Kreditkarten in der Brieftasche erhaschen können und auf das Foto einer Frau mit langem Blondhaar, das auf schmale Schultern fiel. Ein delikates Gesicht mit hohen Wangenknochen und vollen, blassen Lippen. Ihre großen braunen Augen verrieten weder Glück noch Traurigkeit. Nur Distanziertheit. Eine glatte, coole Schönheit.
„Sean?“, fragte Mac.
Elliott schlug die Brieftasche zu und steckte sie zurück in die Tasche. „Ja, Sean. Aus irgendeinem Grund hat ihr alter Herr ihr einen Jungennamen gegeben. Ich habe Sean seit neun Monaten nicht gesehen, aber ich verbürge mich dafür, dass sie kein Junge ist.“
Mac musterte Elliott. Das Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben, war jetzt beklemmend stark. „Neun Monate ist eine lange Zeit.“
„Ich hatte in Europa zu tun.“ Elliott rutschte vom Barhocker und musste zunächst an der Lehne Halt suchen. „Aber jetzt bin ich wieder da, um alles zu klären.“
Mac trank sein Bier aus. Elliott knöpfte sich mit etwas Mühe seinen Trenchcoat zu. Er sah Mac mit den leicht glasigen Augen an. Die Augen! Diese blauen Augen. Jetzt wusste Mac, woher das Gefühl des Wiedererkennens kam. Es war, als blickte Mac in einen Spiegel, der ein verzerrtes Bild von ihm selbst widergab.
Er schüttelte den Kopf. Absurd! Dieser Mann hatte nichts, aber auch gar nichts mit ihm gemein. Doch der Gedanke blieb. Mac kniff die Augen zusammen. Tatsächlich, er könnte Charles Elliott sein, könnte tonnenweise Geld und ein Leben haben, das ihn auf seiner angenehm weichen Strömung mit sich trug, statt ihm seine Brecher entgegenzuwerfen.
Wenn er sich die teure Kleidung wegdachte, den perfekten Haarschnitt … Mac starrte die Hände des Mannes an. Manikürte Fingernägel … Hände ohne Narben und Schwielen. Unverwechselbar die Hände eines Privilegierten.
Mac hatte einmal gehört, dass jeder Mensch auf dieser Welt einen Doppelgänger habe. Nur hatte Mac ganz sicher nicht erwartet, seinen Doppelgänger in dieser Spelunke zu finden, in Seattle, in einer Stadt, in die er noch nie in seinem Leben einen Fuß gesetzt hatte. Und er hatte keinen Doppelgänger erwartet, der die ganze Welt in die Westentasche gesteckt hatte, während Mac mit leeren Händen dastand.
Er betrachtete seine Hände, die Schwielen an den Ballen und den Fingerkuppen. Rissig durch harte Arbeit, gezeichnet durch den täglichen Überlebenskampf. Er und Elliott saßen an den entgegengesetzten Endpunkten des Lebensspektrums.
Verbittert ballte er die Hände zu Fäusten. Dann stand er entschlossen auf und fragte den Barkeeper: „Wissen Sie, wo hier das Büro zum Anheuern ist?“
„Klar. Nächste Ecke links, dann noch ungefähr eine Meile.“ „Danke.“ Mac zog seine Jacke vorn zusammen und griff nach der Leinentasche.
„He, ich muss auch in die Richtung“, warf Elliott ein. „Der Anleger der Fähre ist ganz in der Nähe. Sie können mitfahren.“
Mac musterte Elliott, der genau seine Größe hatte. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht.“
„Überhaupt nichts.“
Mac zog die Wollmütze auf den Kopf, während er Elliott aus der Kneipe hinaus folgte. Ein Nebelhorn heulte im Sund. Sein sehnsüchtiger Hall klang aus. Sonst kein Geräusch, bis auf den aufs Pflaster prasselnden Regen und das leise Zischen der Neonlichter über der
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