BIANCA EXKLUSIV Band 0188
hätte sie seit einer Woche nicht mehr geschlafen.
Sean schloss die Augen, öffnete sie wieder, nachdem sie stumm bis zehn gezählt hatte. Dann blickte sie Charles an, dessen blaue Augen unverwandt auf sie gerichtet waren.
Und als der Fahrstuhl hielt und die Türen zurückglitten, murmelte sie: „Du bist ein Bastard!“ Damit kehrte sie ihm den Rücken zu und marschierte in Richtung ihres Büros.
11. KAPITEL
Den Vormittag über suchte Mac in den Papieren von Charles nach dem Passwort für die CJE-Datei. Schließlich zog er wieder das Flugticket aus der Aktentasche. Sidney Evans … Er holte den Schuhkarton heraus und las den Absender auf einem der Umschläge. Entschlossen rief er die Auskunft in Chicago an.
Sechs Sidney Evans’ lebten in der Millionenstadt. Mac rief einen nach dem anderen an, meldete sich mit Charles Elliott und wartete auf eine Reaktion. Bei der vierten Nummer meldete sich eine Frauenstimme. Wieder spulte Mac seinen Spruch ab.
Dieses Mal folgte kein irritiertes Schweigen und dann ein verblüfftes „Wer?“ Die Frau sagte mit leiser Stimme: „Charles, wie nett von Ihnen, wieder anzurufen. Das letzte Mal habe ich von Ihnen vor sechs Monaten gehört. Wie Sie wissen, habe ich mich gleich nach dem Tod meines Sohnes vor fünf Jahren bemüht, Sie aufzuspüren. Sidney und Sie waren ja Freunde am College. Er hat Sie nie vergessen. Er sagte immer, dass Sie eines Tages ein Jemand sein würden.“
Sidney Evans war also tot! „Das freut mich, Mrs. Evans, vielen Dank. Ich wollte eigentlich nur hören, wie es Ihnen geht.“
„Mir geht es gut. Danke für die Nachfrage.“
„Das freut mich, und passen Sie auf sich auf.“ Mac legte auf und lehnte sich zurück. Charles hatte das Ticket auf Sidneys Namen gekauft, obwohl er wusste, dass der tot war, seit fünf Jahren schon. Warum nur?
Ein Ticket für einen Toten!
Mac aktivierte die CJE-Datei. Die Passwort-Aufforderung leuchtete auf, und er gab Evans ein. Nichts. Er tippte Sidney Evans ein. Der Monitor wurde leer, dann tauchten Zahlenreihen auf.
Mac wusste nicht viel über Geldtransfers via elektronischer Datenübertragung, aber bei dieser Datei war ihm sofort klar, dass er die verschwundenen Firmengelder gefunden hatte. Charles Elliott hatte sie auf ein Schweizer Bankkonto geschleust. Zwei Millionen und fünfhunderttausend Dollar.
Charles hatte also das Unternehmen geschröpft und seine Flucht vorbereitet! Er war am letzten Freitag nur gekommen, um alle Beweise zu vernichten und von der Bildfläche zu verschwinden, bevor ihm jemand auf die Schliche kommen konnte.
Welche Ironie, denn Charles Elliott hatte genau wie Mac den Namen eines Toten übernommen, um ein neues Leben zu beginnen. Das war schwarzer Humor! Pechschwarzer!
Mac hatte nicht viel Zeit dafür gebraucht, um herauszufinden, dass Charles trotz seines glänzenden Äußeren eigentlich ein Verlierer war. Ein Mensch, der sich ohne jeden Skrupel genommen hatte, was er kriegen konnte, ein Mann, der nicht gesehen hatte, welches Juwel er in seiner eigenen Frau hatte. Aber den Namen Charles Elliott übernommen zu haben, bedeutete für Mac, dass er dessen Vergangenheit übernommen hatte.
Wenigstens hatte Charles den Deal noch nicht durchgezogen. Noch lag das Geld auf der Bank in Genf, und wenn es unauffällig dorthin transferiert werden konnte, dann konnte es auch wieder zurücktransferiert werden. Mac blickte auf die Uhr.
Mit auch nur etwas Glück konnte alles geregelt sein, bis er wieder nach Sanctuary Island zurückfuhr. Und das eine stand für Mac fest: Er würde Sean alles berichten – von dem Geld, von Charles’ Plänen und, am allerwichtigsten, von Mac Gerard.
Ganz gleich, was dann käme, er würde es hinnehmen. Er wollte nur aus den Lügen heraus!
Während des Nachmittags gelang es Mac tatsächlich, das Geld von der Genfer Bank ab- und wieder auf das Hauptkonto von Warren International zu buchen. Um kurz vor halb sechs endlich bat er Meg, ihn zu Sean durchzustellen.
„Ihre Frau hat das Haus bereits vor einer Stunde verlassen. Sie sagte, Sie könnten einen Firmenwagen nehmen oder über Nacht in der Stadt bleiben. Es liege ganz bei Ihnen.“
Sean war nicht in der Stimmung, Small Talk mit Charles zu führen, seine Nähe im Wagen zu spüren und seinen Duft mit jedem Atemzug wahrzunehmen. Ihre Nerven lagen blank.
Als sie von der Fähre fuhr, hatte sie schreckliche Kopfschmerzen. Sie hatte Charles ihre letzten Tabletten gegeben. Darum fuhr sie nicht auf direktem Wege nach Hause,
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