Bianca Exklusiv Band 11
wurden.
„Ruhe im Saal!" rief Lionel und klopfte mit dem Löffel an die Teekanne.
Lucy holte tief Luft. „Wie Sie wissen, habe ich in zwei Wochen Geburtstag ..."
„Ich stricke schon an einem Wollschal." Mrs. Baker schwenkte etwas Langes, Helles in Lucys Richtung.
„Was für eine wunderbare Überraschung." Lucy lächelte und suchte nach den richtigen Worten. „Also, Selina hat mich gebeten, für ein, zwei Tage nach Italien zu kommen ..."
„Fein, Liebes." Ihre Mutter strahlte. „Eine großartige Idee. Das ist aber wirklich lieb von ihr, dir eine Reise zu schenken."
„Äh ... ja." Lucy spürte, dass ihr das Blut ins Gesicht schoss. „Das Problem ist nur, ich muss schon morgen fliegen." Ihrer Ankündigung folgte betroffenes Schweigen.
Lionel hatte sich als Erster wieder gefasst. „Typisch Selina!" meinte er lachend. „Sie ist immer für eine Überraschung gut. Was tun wir jetzt?" Er blickte in die Runde.
„Lucy soll nach Italien fliegen und endlich einmal ausspannen", meinte ihre Mutter. „Wir kommen schon zurecht. Seit fünf Jahren hat sie keinen Urlaub mehr gemacht, obwohl, wir es ihr immer wieder nahe gelegt haben. Wie denken Sie darüber?" wandte sie sich an die anderen.
Zu Lucys Erstaunen pflichteten alle ihrer Mutter bei und schienen sich sogar mitzufreuen. Gerührt verließ Lucy den Kaum und nahm sich vor, den alten Herrschaften nach ihrer Rückkehr zur Feier ihres Geburtstags einen besonders leckeren Kuchen zu backen.
Nun musste sie in aller Eile packen und einige Vorbereitungen treffen. Ehe Lucy sich's versah, saß sie in der Maschine nach Mailand.
Die Schönheit der Alpen entzog sich Lucys Blick, weil eine dicke Wolkendecke über den Tälern lag und nur gelegentlich eine Bergspitze zu sehen war. Lucy dachte mit gemischten Gefühlen an ihre Schwester, die irgendwo auf einer Insel inmitten eines italienischen Sees voller Angst auf sie wartete.
Der Flug verging so schnell, dass Lucy zusammenfuhr, als der Steward sie darauf aufmerksam machte, dass es Zeit sei, den Sicherheitsgurt wieder anzulegen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass die Maschine bereits zur Landung angesetzt hatte. Lucy wurde mit jeder Minute banger ums Herz. Sie spürte instinktiv, dass es schlimm um Selina stand, und fragte sich, ob sie die Situation überhaupt in den Griff bekommen würde. Immerhin kam sie, Lucy, aus einer Kleinstadt. Wie sollte sie, eine unerfahrene, zierliche Person von nur einem Meter fünfundfünfzig mit einem Furcht einflößenden Ausländer fertig werden, vor dem sogar die optimistische Selina zitterte?
Als Lucy das sonnenüberflutete Rollfeld betrat, über dem ein Hauch von Blütenduft hing, stieß sie mit einem bewaffneten Sicherheitsbeamten zusammen. Er hielt sie automatisch fest, und sie kam sich neben dem großen, kräftigen Mann hilflos und schwach vor. Der Beamte entschuldigte sich höflich und ging weiter. Lucy blickte ihm verloren nach. Sie war eine Närrin, wenn sie sich einbildete, es mit dem einflussreichen, rücksichtslosen Mazzardi aufnehmen zu können.
Doch jetzt war es zum Umkehren zu spät. Selina erwartete von ihr, dass sie sich stark zeigte. Lucy straffte sich energisch. Zielstrebig holte sie ihren Koffer und ging zur Haltestelle des Kleinbusses zum Lago Maggiore.
Renzo Mazzardi saß in dem elegant ausgestatteten Büro seines Bruders und trank Cognac. Typisch Massimo, ihn warten zu lassen. Das tat er absichtlich, um anderen seine Macht zu zeigen. Der Türknauf bewegte sich, und Renzo verkrampfte sich unwillkürlich.
Beim Anblick seines Bruders sank er in seinem Sessel leicht in sich zusammen. Massimos Miene war ausdruckslos, was nur Schlechtes bedeuten konnte. Jetzt würde es entweder Vorwürfe geben, weil er, Renzo, wieder einmal zu viel Geld ausgegeben hatte, oder aber Massimo würde einen kleinen Fehler zum Anlass nehmen, um aus einer Mücke einen Elefanten zu machen und Renzo zur Rechenschaft zu ziehen.
Renzo trank einen großen Schluck von dem Cognac, um sich Mut zu machen. Es hatte keinen Zweck, sich mit seinem Bruder anzulegen oder zu versuchen, sich ihm gegenüber zu rechtfertigen. Massimo hörte sowieso nicht zu. Schon als Kind war er sofort aufgebraust, wenn jemand ihm einen Strich durch die Rechnung machte - sogar bei Erwachsenen.
Massimo schloss die schwere Paneelentür ruhig hinter sich. Bis auf das zartgelbe Hemd trug er wie meist Schwarz, diesmal einen maßgeschneiderten Anzug des besten Designers von Ferragamo. Der konservative, zeitlose Stil stand in krassem
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