Bianca Exklusiv Band 11
nur noch völlig erschöpft ins Bett fallen und keine Zeit mehr haben, andere zu becircen."
„Das ist nicht fair!" empörte sich Lucy.
„Noch etwas", fuhr Max erbarmungslos fort. „Wenn Sie hier noch einmal bei einer Gruppe in Uniform aufkreuzen, und nicht frisch und adrett aussehen, nehme ich Sie mir persönlich vor. Dann schleppe ich Sie ins Badezimmer, ziehe Ihnen die Uniform aus, stelle Sie unter die Dusche und schneide Ihnen die wilde Mähne ab!"
„Das würden Sie nicht wagen!" Lucy versuchte ihr Haarband festzuziehen, dem einige dicke Flechten entschlüpft waren und ihr ins Gesicht hingen.
„Fordern Sie mich nicht heraus", warnte Max und schloss den obersten Knopf ihrer Uniform. „So, und jetzt an die Arbeit", befahl er. „Und ich kann Ihnen nur raten, gut aufzupassen. Morgen sind Sie allein. Dann werde ich mich unter die Gruppen mischen und genau zuhören, was Sie von sich geben."
„Unmensch!" zischte Lucy.
„Im Gegenteil, ich halte mich sogar noch zurück. Versuchen Sie ja nicht, mich hinters Licht zu führen", drohte Max. „Ich kann Ihnen das Leben zur Hölle machen, wenn ich will", fügte er hinzu.
„Sie haben mich in der Hand, obwohl ich nichts Unrechtes getan habe. Nur ein Schuft würde diese Situation ausnutzen", konterte Lucy. Zu ihrer Überraschung blickte Max betroffen drein.
„Sie wissen ja nicht, was los ist", sagte er leise.
„Dann klären Sie mich auf."
„Dazu habe ich keine Zeit", entgegnete Max irritiert.
„Keine Zeit? Dabei pochen Sie doch ständig auf Pünktlichkeit. Waren Sie schon immer so pedantisch?"
„Sie machen mich noch wahnsinnig!" stöhnte er. „Erstens haben die Besucher ein Recht darauf, dass die Führungen wie angekündigt beginnen. Zweitens führt eine Verspätung dazu, dass eine Gruppe mit den anderen zusammenstößt. Hier laufen schließlich noch eine weitere englische; zwei deutsche und zwei italienische Führungen. Drittens würden wir alle verspätet mit der Arbeit fertig werden. Sie mögen abends nichts vorhaben, aber bei mir ist das etwas anderes. Hier muss alles wie am Schnürchen laufen. Capisci?"
Das verstand Lucy. Bei ihr zu Hause im Heim galt das Gleiche. „Bitte entschuldigen Sie. Sie haben Recht." Sie lächelte schwach.
In Max' Miene trat ein sanfter Ausdruck, der jedoch sofort wieder verschwand. „Ich halte es für besser, wenn Sie sich für den Rest des Nachmittags die Broschüre vornehmen und den Text lernen, Suchen Sie sich einen ruhigen Platz im privaten Teil des Gartens ... Sie wissen ja, wo er ist. Ich kann die Führungen einfach nicht mehr länger durchziehen. Auf meinem Schreibtisch stapelt sich die Arbeit. Morgen werden Sie übernehmen, und dann müssen Sie alles Nötige wissen." Damit ging er davon.
Lucy blickte lustlos auf die Broschüre in ihrer Hand. Dann wandte sie sich seufzend ab und machte sich auf den Weg zu dem Privatgarten, den sie noch nie betreten hatte.
Trotz ihrer Sorgen genoss Lucy den Frieden und die Schönheit der Anlagen. Riesige Rhododendronbüsche und geschickt angeordnete Baumgruppen verwehrten Neugierigen den Einblick. Lucy versuchte, die Pflanzen zu bestimmen. Da gab es duftende Zitronenbäume, zarte Mimosen, eine Balsampflanze ... wie war noch ihr Name?
Ein Lächeln überflog ihre Lippen, als sie aus einer Gruppe Kampferbäume hervortrat und einen Teich vor sich erblickte, der von hohen Wasserlilien mit großen, exotischen Blüten gesäumt wurde. In der Nähe einer Uferbank stolzierten zwei weiße Pfauen auf und ab, die von einer älteren Dame in einfacher schwarzer Kleidung gefüttert wurden. Der Tragetasche und den belegten Broten in ihrer Hand nach zu schließen, musste sie irrtümlich hier gelandet sein.
Lucy beschloss, die Frau aufzuklären. „Hallo", grüßte sie freundlich. „Das hier ist ein Privatgarten. Privato."
„Wie bitte?"
Lucy war angenehm berührt, dass die alte Dame Engländerin war. „Der Garten ist Privatbesitz."
„Das weiß ich. Es ist schön hier, nicht wahr?"
Die Frau erinnerte Lucy an Mrs. Baker. „Soll ich Sie zum Ausgang führen?" erbot sie sich lächelnd.
„Warum? Wird es regnen? Wer sind Sie?"
„Ich heiße Lucy und mache Führungen durch den Palazzo."
„Helfen Sie mir zu der Bank", sagte die alte Dame. „Meine Beine wollen nicht mehr so wie früher."
Es macht sicher nichts, wenn die Frau ein Weilchen bleibt, dachte Lucy. Sie wirkt etwas schwächlich. Sie setzten sich beide und genossen die Aussicht.
„Traumhaft, nicht wahr?" schwärmte
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