Bianca Exklusiv Band 229
sehen?“
„Noch nicht, Honey“, erwiderte die Krankenschwester.
„Geht es ihr denn gut?“
„Es geht ihr großartig.“
Lucas glaubte es immer noch nicht, die Antwort war viel zu allgemein gehalten. Er wollte Fakten und Details. Den Puls des Babys, den Blutdruck, das Gewicht. Und er wollte wissen, was das alles bedeutete.
War sie größer oder kleiner als erwartet? Wie schlimm war es, dass sie nicht von allein geatmet hatte? Wie viele Babys, die vierzehn Wochen zu früh gekommen waren, hatten überlebt? Bei wie vielen traten ernste Komplikationen auf? Waren Mädchen stärker als Jungen?
Er war der Vater eines Mädchens.
Es kam ihm unwirklich vor und schien doch gleichzeitig von unerwarteter, äußerster Wichtigkeit zu sein. Als der Frühchenwagen mitsamt dem Baby hinausgerollt wurde, hatte Lucas das beängstigende Gefühl, dass seine Tochter nicht länger existierte, dass er sie nie wieder sehen würde, nachdem er sie überhaupt noch nicht richtig hatte anschauen können.
Rebecca ging es ebenso, das spürte er, und er hatte sich einem anderen menschlichen Wesen noch nie so verbunden gefühlt. Seltsam, denn noch vor wenigen Stunden hatte er geglaubt, sie gar nicht zu kennen.
„Wo ist sie?“ Ihre Stimme klang tränenerstickt und von Panik erfüllt. „Wohin wird sie gebracht?“
„Auf die Intensivstation, Honey“, sagte die Schwester ungerührt. „Sie können sie nachher sehen, sobald Sie in Ihrem Zimmer sind. Haben Sie denn schon einen Namen für sie?“
„Ich hatte mehrere Ideen. Es soll stark klingen.“
„Ja“, hörte Lucas sich zustimmen. Wenn sie einen starken Namen bat, entwickelt sie sieb vielleicht zu einem starken Menschen. Dann wird sie kämpfen und überleben.
„Ich habe an Christie gedacht“, begann Rebecca. „Oder Tara. Oder Maggie.“
„Maggie gefällt mir.“
Sie musterte sein Gesicht und hatte das Gefühl, in seinem Herzen zu lesen. „Maggie gefällt mir auch am besten.“
Lucas schob seine Hand in Rebeccas und drückte zu. Er wusste, dass weder sein Leben noch ihres je wieder wie vorher sein würde.
„Ist alles in Ordnung mit ihr?“ Die Worte kamen wie von selbst aus Rebeccas Mund. Sie wüsste, dass sie dieselbe lapidare Antwort erhalten würde, die sie bereits unzählige Male gehört hatte, aber im Moment zählte nichts anderes auf der Welt, als dass ihre winzige Tochter überlebte.
„Sie macht sich wirklich prima, Rebecca“, versicherte die Krankenschwester, deren Name Shirley lautete. Sie war Anfang fünfzig und solide gebaut, so, als hätte sie selbst mehrere Babys zur Welt gebracht. „Sie sieht gut aus.“
„Bitte nennen Sie mich Reba.“
Shirley lächelte. „Okay, Reba.“ Die Schwester arbeitete sehr effektiv, überprüfte Monitore, machte Notizen und griff nur dann in den Brutkasten, wenn es unbedingt nötig war.
Rebecca hatte sich im Rollstuhl auf die Intensivstation schieben lassen und war erst vor wenigen Minuten angekommen. Maggie hingegen war schon fast zwei Stunden da.
Das Ganze kam Rebecca immer noch unwirklich vor.
Und wo steckte bloß Lucas?
Er war bei Rebecca geblieben, bis sie in ihr Zimmer gebracht worden war. Dort hatte die Schwester ihr vorgeschlagen zu duschen, und er hatte erklärt: „Es gibt noch einigen Papierkram für dich und das Baby zu erledigen. Ich kümmere mich darum, während du duschst, und dann treffen wir uns auf der Intensivstation.“
Anscheinend nahm dieser Papierkram sehr viel Zeit in Anspruch.
Was ist, wenn er einfach nicht wiederkommt?
Während sie ihr winziges Baby musterte, das so verloren wirkte inmitten all der Schläuche und Kabel und so ungeheuer kostbar mit dem schwarzen Flaumhaar und dem schrumpeligen Gesicht, erhöhte Lucas’ Abwesenheit für sie nur noch das Gefühl, dass nichts von alldem wirklich ernsthaft passierte.
Schließlich hörte sie ein Geräusch hinter sich und spürte seine Hand schwer und warm auf ihrer Schulter. „Sie ist so winzig“, flüsterte er. „Wie kann sie nur so klein sein?“
„Sie ist wundervoll.“
Er musterte das Baby, und Rebecca wusste genau, was er sah. Dünne, rötliche Gliedmaßen, ein zerquetschtes Gesicht und schwarze Haare unter einer rosa Strickmütze. Die Mütze war nicht größer als eine zierliche Teetasse, aber auf Maggies winzigem Köpfchen sah sie aus wie der übergroße Turban eines Sultans.
Auf den ersten Blick konnte man dieses Baby nicht wundervoll nennen.
Doch Rebecca merkte genau, in welchem Moment Lucas zu dieser Einschätzung fand. Er
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