Bianca Exklusiv Band 229
gerade einem wichtigen Examen.
„Darf ich sie denn anfassen?“, erkundigte sich Rebecca bei Angela.
„Das wird ihr gefallen.“
„Aber ich habe Angst, dass ich was falsch mache. Sie müssen mir sagen, wie ich es richtig machen soll.“
Gemäß Angelas Anweisungen wusch Rebecca sich die Hände bis zu den Ellbogen, steckte dann einen Arm durch den Durchlass und strich behutsam über Maggies winzigen Po und die zarten Beinchen.
Rebeccas Nacken und Schultern wurden bald steif, aber es war so wundervoll, ihr Baby zu berühren, dass sie es gern in Kauf nahm.
Nach einer Weile sagte Angela sanft: „Sehen Sie, wie gut es ihr tut? Die Sauerstoff-Sättigung ist gestiegen, und ihre Gesichtsfarbe ist gleichmäßiger und rosiger geworden. Und sie zuckt nicht mehr so wie vorher.“
„Ich habe sie noch gar nicht schreien hören. Schreit sie nie?“
„Sie kann nicht, weil sie den Beatmungsschlauch zwischen den Stimmbändern hat.“
„Tut ihr das nicht weh?“
„Na ja, es ist nicht unbedingt angenehm, aber nötig.“
„Ich würde ihr das gern erklären können.“
„Das kann ich mir denken.“
„Wann dürfen wir sie denn endlich mal im Arm halten?“, erkundige sich Rebecca nun.
„Ich fürchte, das wird noch eine Weile dauern. Sie ist einfach noch zu klein und zerbrechlich. Der Doktor wird entscheiden, wann es soweit ist. Es kann noch zwei oder drei Wochen dauern.“
Lucas unterbrach seine Schreiberei und musterte argwöhnisch Rebeccas Hand, die Maggie streichelte, so als fürchtete er, sie könnte Schaden anrichten. „Wann können wir denn mit dem Arzt sprechen?“
„Er macht gerade Visite und wird jeden Moment hier sein“, erwiderte Angela.
„Danke.“
Einerseits wollte Rebecca bei Maggie bleiben, sie weiterhin berühren und beobachten, doch sie wusste, wie wichtig das Gespräch mit dem Facharzt war.
Sein Name lautete Phil Charleson. Er hatte volles dunkles Haar, trug eine randlose Brille und beschäftigte sich so eingehend mit ihren Belangen, dass nicht einmal Lucas mit seinen unzähligen Fragen sich beklagen konnte.
Außerdem teilte er ihnen mit: „Es gibt verschiedene Gefahren, auf die wir achten müssen. Vor allem können Probleme mit der Atmung, dem Herzen, dem Verdauungstrakt und Blutungen oder Infektionen auftreten. In den letzten Jahren haben wir auf diesem Gebiet zwar große Fortschritte gemacht, aber dieses Mädchen ist sehr klein und schwach, und ich will keine Versprechungen machen, die ich nicht halten kann.“
„Das verstehen wir“, erwiderte Lucas.
Rebecca fühlte sich ihm in diesem Moment sehr fremd. Zu sehr war sie von ihren Ängsten befallen, um sich ihm in irgendeiner Form verbunden zu fühlen. Schließlich kannten sie sich auch kaum. Sie teilten lediglich denselben Raum und die Sorge um dasselbe zarte Wesen. Im Widerspruch zu Lucas’ Worten wollte sie schreien: Ich verstehe das nicht! Ich will Versprechungen! Wie soll ich es ohne Versprechungen überstehen?
Aber sie schwieg und versuchte einzusehen, dass falsche Hoffnungen letztlich noch schlimmer wären.
„Dürfen wir sie besuchen, wann wir wollen?“, fragte Lucas, und Rebecca spitzte die Ohren, denn nach all seinen Erkundigungen über technische Apparate und Komplikationen und Medikation war es eine Frage, die auch sie interessierte.
„Natürlich, jederzeit“, erwiderte Dr. Charleson. „Reba, Sie werden heute entlassen, oder?“
„Ich habe den Geburtshelfer noch nicht gesehen, aber ich glaube ja.“
„Und haben wir Ihre Kontaktadresse?“
Sie wollte schon den Kopf schütteln, da erwiderte Lucas: „Ja, ich habe alle Angaben hinterlegt.“
„Falls wir Sie benachrichtigen müssen, wenn Sie gerade nicht hier sind“, ergänzte Dr. Charleson.
Weder Rebecca noch Lucas gefiel der unheilvolle Klang dieser Worte. Lucas verschränkte die Finger mit ihren und drückte sanft, und sie erwiderte den Druck. Nicht zum ersten Mal erleichterte es sie ungemein, dass er bei ihr war, dass sie nicht allein war.
Das Hotel, das Lucas ausgewählt hatte, war wundervoll. Es lag neben einem Golfplatz und inmitten gepflegter Gärten und wirkte wie eine Oase in einem anderen Universum, fernab von dem Krankenhaus, in dem sich ein Menschenleben auf so dramatische Weise verändern konnte. Das geräumige Foyer war ruhig und kühl und kunstvoll beleuchtet. Es führte zu zwei Restaurants und einer Bar sowie zu einer Reihe von Fahrstühlen.
Ihre Suite befand sich im vorletzten Stockwerk. Sie verfügte über ein Ankleidezimmer, ein
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