Bianca Exklusiv Band 229
stark genug dafür bin?
Beinahe hätte sie ihre Bedenken ausgesprochen, da legte Lucas ihr einen Arm um die Schultern und zog Rebecca an sich. Sie schmiegte den Kopf an ihn und spürte seine Stärke, die in ihren Körper zu strömen und auch sie ein wenig zu kräftigen schien.
Um Maggies willen hatten sie sich zusammengetan, nun durfte Rebecca sich keine Blöße geben. „Ja, bitte, Doktor, erklären Sie es uns so deutlich wie möglich.“
„Wie lange dauert es, bis Sie wissen, ob sie operiert werden muss?“, erkundigte sich Lucas. Er hatte das Gefühl, als säßen sie schon seit Stunden mit Dr. Charleson zusammen in Klausur, aber vermutlich waren es nicht mehr als zehn Minuten.
Lucas hielt Rebecca immer noch im Arm, und er wusste nicht mehr, wer dadurch wem half, diese schwierige Situation durchzustehen. Obwohl er körperlich stärker sein und mehr Kampfgeist besitzen mochte, gaben ihm ihre Nähe und Wärme ebenso viel, wie er ihr gab. Er wollte sie, brauchte sie, schätzte sie.
Und er fragte sich, wie sie zueinander stehen mochten, wenn Maggie außer Gefahr war. Würden sie Freunde sein?
Oder würden sie ständig aneinandergeraten, wenn sie sich im selben Raum aufhalten mussten?
„Ich kann die Entscheidung erst fällen, wenn Maggie ein paar Wochen alt ist“, antwortete Dr. Charleson. „Es kann sein, dass sich der Ductus zwar verschließt, aber einige Tage nach Absetzen der Medikamente wieder öffnet. Sollte das der Fall sein, versuchen wir es noch einmal auf medikamentöse Weise. Wenn es dann nicht klappt, werden wir operieren.“
„Ist es gefährlich, wenn Sie warten?“, hakte Rebecca nach.
„Ja, denn wir müssen ihre Atmung und ihr Herz mehr unterstützen, solange der Ductus offen bleibt. Diese erhöhte Unterstützung kann zu verschiedenen anderen Komplikationen führen.“
„Und wenn Sie gar nicht abwarten, sondern sofort operieren?“
„Das werden wir auf gar keinen Fall tun. Jede Operation birgt ein hohes Risiko. Die Medikation ist momentan eine bessere Lösung. Wir müssen die Daumen drücken, dass sie anschlägt.“
„Die Daumen drücken?“, hakte Lucas nach. „Ist das die neueste medizinische Technik?“
„Manchmal können wir nicht mehr tun. Aber in diesem Fall bin ich sehr optimistisch. Sie hat bisher gut auf die Medikamente reagiert. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden werden wir erfahren, ob sich das Loch geschlossen hat.“ Dr. Charleson blickte zur Uhr. „Wenn Sie noch etwas wissen möchten, fragen Sie mich ruhig. Wenn nicht, möchte ich mich um ein anderes Neugeborenes kümmern, das mir Sorgen macht.“
„Danke“, sagte Rebecca schnell, „wir haben momentan keine weiteren Fragen.“
Als der Neugeborenen-Spezialist den Raum verlassen hatte, hakte Lucas nur halb im Scherz nach: „Hattest du Angst, was ich als Nächstes fragen würde?“
Einige Sekunden lang sagte sie nichts. Dann fragte sie: „Fährst du gern Achterbahn?“
„Nein.“
„Ich auch nicht. Aber jetzt fühle ich mich, als wären wir beide im ersten Waggon festgeschnallt und müssten wochenlang sitzen bleiben.“
„Und du möchtest am liebsten die Augen zumachen?“
„Nein, dann wäre es noch schlimmer. Ich möchte nur die Hand vor die Augen halten und durch die Finger spähen, wenn ich gerade den Mut dazu habe, um zu sehen, was auf uns zukommt. Da es nun mal kein Aussteigen gibt.“
„Und ich klammere mich mit beiden Händen an die Stange, während ich versuche, die auf den Waggon einwirkenden Kräfte und die Festigkeit der Verbindungen zu berechnen?“
„So ähnlich.“
„Empfiehlst du mir deinen eigenen Ansatz?“
„Ich glaube, dass wir beide keine Wahl haben. Wir sind, wie wir sind. Wir werden uns nicht ändern.“
Ihre Aussage schien zu betonen, welche Kluft zwischen ihnen bestand, und das gefiel Lucas nicht. Er fühlte sich Rebecca seit Maggies Geburt ziemlich verbunden, als wären sie ein Team. Nun fragte er sich, ob diese Verbindung in ihren Augen keinen Bestand hatte.
Selbst bei Paaren, die sich innig liebten, führte ein derartiger Stress manchmal zur Trennung. Viele Ehen scheiterten an einem Baby mit besonderen Bedürfnissen. Und Lucas und Rebecca hatten keinerlei Basis, nicht einmal eine feste Beziehung.
Statistisch gesehen hätten die Chancen kaum schlechter stehen können.
8. KAPITEL
Auf dem unbequemen Stuhl neben dem Brutkasten schien Lucas fest zu schlafen. Rebecca fragte sich, ob er schon die ganze Nacht so dasaß. Wenn ja, dann musste ihm der ganze Körper wehtun.
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