Bianca Exklusiv Band 229
fragen sollen, genau wie du.“
„Hast du es denn inzwischen getan?“
„Ja. Ich habe mit Dr. Charleson gesprochen.“
„Und was hat er gesagt?“
„Dass er gerade Geburtshilfe bei einem fünfundzwanzig Wochen alten Säugling geleistet hat, der es nicht mal aus dem Kreißsaal geschafft hat. Die Mutter ist drogensüchtig.“
„Du glaubst doch nicht …“
„Nein. Aber manchmal macht eine Mutter etwas falsch. Du hast es nicht getan, das hat er mir gesagt. Es tut mir leid, Reba. Es war ein scheußlicher Tag, und meine Gefühle sind einfach mit mir durchgegangen. Ich hätte dir keinen Vorwurf machen dürfen.“
Sie versuchte zu lachen. „Du verbringst das halbe Wochenende damit, mich davon zu überzeugen, dass wir vernünftig denken, dass wir logisch handeln müssen, dass wir unseren Gefühlen misstrauen müssen, bis wir sie analysiert haben. Und dann greifst du mich plötzlich an und entschuldigst es damit, dass ‚deine Gefühle mit dir durchgegangen sind‘? Gibt es hier eine Logik, die mir entgeht?“
„Nein. Es gibt keine Logik. Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was mit mir los ist.“
„Willkommen in der wirklichen Welt.“
Er setzte sich an den Tisch, und keiner von beiden hatte noch Worte.
Als Rebecca die Suppe aufgegessen hatte, fragte Lucas: „Trinkst du den Saft nicht aus?“
„Nein. Trink du ihn. Ich will zu Maggie. Und ich will meine Eltern anrufen.“
„Um ihnen zu sagen, was passiert ist?“
„Um sie zu bitten herzukommen.“
„Jetzt? Aber du wolltest doch …“
„Ich habe mich geirrt. Hätte ich sie früher kommen lassen, hätten sie Maggie gesehen, als es ihr noch relativ gut ging. Und jetzt, wenn die Medikamente nicht anschlagen …“ Sie schloss die Augen, schüttelte den Kopf und begann erneut. „Du hattest recht. Ich hätte nicht versuchen sollen, sie zu verschonen.“
„Wie würde es dir damit gehen, wenn meine Mutter auch käme? Mein Dad will nicht. Er hat gesagt, dass er es nicht verkraften würde. Aber Mom wäre gern hier. Sie will dir nur nicht in die Quere kommen.“
„Natürlich habe ich nichts dagegen. Ich würde Maggies zweite Großmutter gern kennenlernen.“
„Ich sage ihr nachher gleich Bescheid. Aber jetzt lass uns erst mal über praktische Dinge reden“, schlug Lucas vor. „Dass ich vorhin die Beherrschung verloren habe, ist eine Folge von Überforderung. Wir müssen einen Zeitplan aufstellen und für uns beide ausreichende Pausen festlegen.“
„Brauchen wir dazu wirklich einen Plan?“
„Ja. Wir müssen unsere Energie einteilen und genau notieren, wie die Schwestern Maggies Fortschritte festhalten.“
„Du willst also Patientenblätter darüber führen?“
„Ich meine es ernst.“
Ja, das merkte sie. Lucas meinte es ernst und hatte Angst, und er ging mit dieser Angst um, indem er Dinge zu kontrollieren suchte, die nicht kontrollierbar waren. Das war auch nicht viel sinnvoller als Rebeccas gefühlsbetonte Art. Beide Verhaltensweisen waren unvereinbar, entstammten aber derselben Ursache: ihren Ängsten und Wünschen.
„Okay. Und wie sieht dieser Plan aus?“
„Ich fahre jetzt ins Hotel und ruhe mich aus. Du kommst um acht Uhr mit einem Taxi nach, dann fahre ich über Nacht zu Maggie und bleibe bis etwa acht Uhr morgens. So wechseln wir uns ab jetzt immer ab.“
„Sodass jeder zwölf Stunden von Maggie getrennt ist?“
„Jeder bekommt zwölf Stunden Erholung in dem Wissen, dass der andere bei ihr ist, sich um sie kümmert und sofort anruft, sobald sich ihr Zustand ändert. Lass es uns versuchen. Wir brauchen eine Struktur.“
„ Du brauchst eine Struktur.“
„Du auch. Du willst es vielleicht nicht, aber was wir wollen und was wir brauchen, sind zwei verschiedene Paar Schuhe.“
Sobald Rebecca die Suite betrat, sank sie erschöpft auf die Couch und begann, all das über Maggie zu berichten, was Lucas ihrer Meinung nach hören wollte.
„Du musst mir nicht alles haarklein erzählen“, unterbrach er nach einer Weile. „Ihr Zustand scheint sich kaum verändert zu haben.“
„Sie kriegt ein neues Medikament, aber ich kann mich nicht erinnern, wie es heißt oder wozu es gut ist.“
„Ich werde es ja gleich erfahren. Jetzt wollen wir erst mal dich versorgen.“ Er nahm die Speisekarte des Hotels und legte sie ihr aufgeschlagen auf den Schoß. Gleichzeitig griff Rebecca danach. Ihre Finger berührten sich, und er streichelte unwillkürlich ihren Handrücken mit dem Daumen.
Ein winziges Lächeln huschte ihr über das
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