Bianca Exklusiv Band 87
sicher, dass Ihre Großmutter Sie schätzt und das, was Sie getan haben, durchaus zu würdigen weiß. Sie …”
„Nein, das tut sie nicht”, fiel Max Lucy ins Wort. „Sie hat mir nie verziehen, dass ich mich geweigert habe, das Familienunternehmen zu übernehmen. Es war der Traum ihres geliebten Mannes, die Gartenanlagen für die Öffentlichkeit anzulegen, und sie konnte nicht verstehen, warum ich kein Interesse daran hatte. Meine Großmutter ist Engländerin, wie Sie sicher schon bemerkt haben. Gärten sind ihre Leidenschaft. Sie war außer sich, als ich von hier fortging.”
„Das ist aber nicht der einzige Grund, warum es zwischen Ihnen böses Blut gibt”, warf Lucy ein.
„Nein”, musste Max zugeben. „Zum Teil war es auch meine Schuld. Renzo war der Liebling aller. Er war ein sehr zartes Kind, und während ich frühzeitig ins Internat geschickt wurde, durfte er zu Hause bleiben und bekam eine Privatlehrerin. Wenn ich heimkam und berichtete, was ich alles erlebt hatte, sorgten sie sich um Renzos kalte Hände oder seine Blässe und was weiß ich alles. Was immer ich tat und versuchte, ich fühlte mich hier von Mal zu Mal fremder. Schließlich hatte ich einen fürchterlichen Krach mit meinem Vater über Renzos Verweichlichung, seine verzogene Art. Danach habe ich mit der Familie gebrochen und ein neues Leben begonnen.”
„Und Renzo wurde darauf getrimmt, eines Tages alles zu übernehmen?”
„Nicht direkt. Vater wollte die Zügel nicht abgeben. Renzo hatte kaum eine Ahnung, was hier lief, obwohl er sich eigentlich damit hätte beschäftigen müssen. Soweit ich gehört habe, zog er es vor, seine Zeit mit Freunden zu verbringen, statt zu arbeiten.”
„Ein Jammer. Da konnte er die Dinge ja kaum in den Griff bekommen”, bemerkte Lucy.
„Er schreckte vor der Verantwortung zurück. Aber das liegt wohl auch daran, dass niemand ihm Gelegenheit gab, Verantwortung zu tragen”, setzte Max nachdenklich hinzu. „Alle haben ihn nur verwöhnt. Das ist nicht seine Schuld, aber er erwartet nun mal, dass andere die Dinge für ihn wieder gerade biegen.”
„Das kenne ich”, bestätigte Lucy. „Mit Selina ist es das Gleiche. Die Leute sehen in ihr die attraktive Blondine, von der man nicht erwarten kann, dass sie sich die Hände schmutzig macht. Aber so ist sie eigentlich gar nicht. Sie hat einfach nur keine Gelegenheit gehabt, sich zu geben, wie sie wirklich ist.”
„Sie denken da sehr großherzig. Finden Sie es wirklich in Ordnung, dass Selina in der Weltgeschichte herumzigeunert, Geld ausgibt und Dummheiten macht, während Sie brav zu Hause bleiben und sich abrackern?”
„Ich sagte Ihnen doch schon, so bin ich nun mal.”
„Vielleicht hat Ihnen bisher einfach niemand die Möglichkeit gegeben, Sie selbst zu sein”, gab Max zu bedenken.
Lucy wurde das Gespräch zu persönlich. „Entschuldigen Sie mich”, sagte sie hastig. „Ich muss jetzt endlich anfangen, meine Texte zu lernen. Danke für den Tee.”
„Gern geschehen, Lucy. Ich finde, wir sollten die Unterhaltung bald fortsetzen. Heute Nachmittag habe ich eine Menge über Sie in Erfahrung gebracht. Wie wär’s, wenn wir am Abend zusammen essen gehen? Vielleicht in Stresa?”
Nichts hätte Lucy lieber getan, aber ein Rendezvous erschien ihr zu gefährlich. Außerdem musste sie an ihren Job im Restaurant denken. „Nein, danke”, erwiderte sie höflich, ohne Max anzusehen. „Ich bin schon verabredet.”
Er gab jedoch nicht auf. „Und morgen Abend?”
Wenn er doch nur nicht eine so sinnliche Stimme gehabt hätte! Lucy hatte Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie groß die Versuchung war. „Ich bin voll ausgebucht”, log sie tapfer.
„Hoffentlich wirkt sich das nicht auf Ihre Arbeit aus”, bemerkte Max kühl. Lucy spürte, dass er verletzt war. Sicher passierte es ihm nicht oft, dass eine Frau seine Einladung ablehnte.
Am Ende des Tages war Lucy müde, und ihr schwirrte der Kopf vom stundenlangen Auswendiglernen. Max hatte ihr gesagt, dass das Abendessen zeitig stattfand, worüber sie erleichtert war. Sie hatte schon befürchtet, auf die Mahlzeit verzichten zu müssen, weil sie um halb acht in der Trattoria anfing. Die meisten Angestellten schienen außerhalb zu wohnen, so dass nur eine Hand voll Leute zum Essen erschienen.
Auch diesmal hatte Lucy wieder Probleme bei der Kleiderwahl, und einen Augenblick war sie versucht, ihren Rock und die Bluse anzuziehen. Doch die waren einfach zu schmutzig. Also ging sie Selinas Sachen
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