Bianca Exklusiv Band 87
erreichte. Er warf Lucy einen vorwurfsvollen Blick zu, dann drehte er sich um und führte die Teilnehmer in den nächsten Raum.
In der nun folgenden Stunde versuchte Lucy gewissenhaft, sich seine Erklärungen einzuprägen. Doch zu ihrem Kummer stellte sie fest, dass Max keine Notiz von ihr nahm. Schließlich zerstreute sich die Gruppe in den Gartenanlagen, und Lucy blieb mit Max allein auf dem Innenhof zurück. Das Schweigen zwischen ihnen wurde bedrohlich.
„Ich warte auf Ihre Erklärung.” Max sah sie nicht an.
Lucy wappnete sich für die Strafpredigt, die jetzt kommen musste. „Entschuldigung, aber es hat länger gedauert, als ich dachte”, sagte sie ruhig.
Max verlor die Geduld. „Hören Sie, ich weiß, dass Sie hier keine Karriere machen wollen und ebenso wenig Interesse an der Arbeit haben wie Ihre Schwester, aber ich warne Sie: Wenn Sie noch einmal zu spät kommen, werde ich Ihnen nicht einmal mehr gestatten, die Insel zu verlassen.”
„Nein! Das können Sie nicht tun!” rief Lucy entsetzt.
„Wie soll ich sonst sicher sein können, dass Sie Ihren Verpflichtungen nachkommen? Ich war ein Narr anzunehmen, dass ich mich auf Sie verlassen kann.”
„Aber das können Sie”, widersprach Lucy hilflos, „ich wollte mich nicht verspäten. Ich konnte wirklich nichts dafür.”
In Max’ Augen trat ein harter Glanz. „Wie oft, glauben Sie, habe ich diese Entschuldigung von Ihrer Schwester in dem gleichen Unschuldston gehört?”
Lucy ließ den Kopf hängen. „Dann feuern Sie mich”, schlug sie mit matter Stimme vor.
Max zuckte leicht zusammen. „Das werde ich nicht. Ich habe ja nicht einmal Selina gefeuert.”
„Warum haben Sie es nicht getan, wenn sie so schlimm war, wie Sie ständig behaupten?”
„Um Renzo noch mehr Grund zu geben, sie zu trösten?” erwiderte Max verächtlich. „Nein, so etwas fange ich geschickter an. Ich habe Selina mehr als einmal Gelegenheit zur Kündigung gegeben, weil ich sie loswerden wollte.”
„Das ist Ihnen ja nun auch gelungen”, bemerkte Lucy trocken.
„Sicher. Aber ich hatte nicht erwartet, dass sie Renzo zum Mitkommen überredet”, gab Max unwillig zurück. „Doch jetzt habe ich Sie. Reißen Sie sich zusammen, sonst nehme ich Sie so hart ran, dass Sie abends nur noch völlig erschöpft ins Bett fallen und keine Zeit mehr haben, andere zu becircen.”
„Das ist nicht fair!” empörte sich Lucy.
„Noch etwas”, fuhr Max erbarmungslos fort. „Wenn Sie hier noch einmal bei einer Gruppe in Uniform aufkreuzen, und nicht frisch und adrett aussehen, nehme ich Sie mir persönlich vor. Dann schleppe ich Sie ins Badezimmer, ziehe Ihnen die Uniform aus, stelle Sie unter die Dusche und schneide Ihnen die wilde Mähne ab!”
„Das würden Sie nicht wagen!” Lucy versuchte ihr Haarband festzuziehen, dem einige dicke Flechten entschlüpft waren und ihr ins Gesicht hingen.
„Fordern Sie mich nicht heraus”, warnte Max und schloss den obersten Knopf ihrer Uniform. „So, und jetzt an die Arbeit”, befahl er. „Und ich kann Ihnen nur raten, gut aufzupassen. Morgen sind Sie allein. Dann werde ich mich unter die Gruppen mischen und genau zuhören, was Sie von sich geben.”
„Unmensch!” zischte Lucy.
„Im Gegenteil, ich halte mich sogar noch zurück. Versuchen Sie ja nicht, mich hinters Licht zu führen”, drohte Max. „Ich kann Ihnen das Leben zur Hölle machen, wenn ich will”, fügte er hinzu.
„Sie haben mich in der Hand, obwohl ich nichts Unrechtes getan habe. Nur ein Schuft würde diese Situation ausnutzen”, konterte Lucy. Zu ihrer Überraschung blickte Max betroffen drein.
„Sie wissen ja nicht, was los ist”, sagte er leise.
„Dann klären Sie mich auf.”
„Dazu habe ich keine Zeit”, entgegnete Max irritiert.
„Keine Zeit? Dabei pochen Sie doch ständig auf Pünktlichkeit. Waren Sie schon immer so pedantisch?”
„Sie machen mich noch wahnsinnig!” stöhnte er. „Erstens haben die Besucher ein Recht darauf, dass die Führungen wie angekündigt beginnen. Zweitens führt eine Verspätung dazu, dass eine Gruppe mit den anderen zusammenstößt. Hier laufen schließlich noch eine weitere englische; zwei deutsche und zwei italienische Führungen. Drittens würden wir alle verspätet mit der Arbeit fertig werden. Sie mögen abends nichts vorhaben, aber bei mir ist das etwas anderes. Hier muss alles wie am Schnürchen laufen. Capisci?”
Das verstand Lucy. Bei ihr zu Hause im Heim galt das Gleiche. „Bitte entschuldigen
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