Bianca Exklusiv Band 87
raue Leben in der Wildnis gewohnt war, und besaß eine stolze, fast hochmütige Ausstrahlung. Seine Kleidung - enge Jeans, ein breiter Gürtel mit einer verzierten silbernen Schnalle, Cowboystiefel und ein blaues, sportliches Hemd, das sich um breite Schultern spannte - schienen lediglich wie ein gewährtes Zugeständnis an die Zivilisation. Seine Wangenknochen waren hoch, sein Kinn ausgeprägt und markant geschnitten. Der dunkle Schnurrbart, der bis auf sein Kinn hinunterwuchs, und die blasse Narbe, die auf der linken Gesichtshälfte am Kieferknochen entlang verlief, verstärkten noch seine machohafte Ausstrahlung.
Linda war immer noch von seinem Blick gefesselt; ein Schauer durchlief sie. Vor weniger als vierundzwanzig Stunden hatte sie in ihrer kleinen New Yorker Wohnung den Anruf bekommen, der ihren gewohnten Lebensablauf durcheinander bringen sollte. Sie hatte an ihrem Schreibtisch gesessen und einen Text redigiert, als das Telefon klingelte und sie geistesabwesend den Hörer abhob. Als sie die in Tränen aufgelöste Stimme ihrer Schwägerin, Frances MacTavish, wahrnahm, wurde sie sofort hellhörig. „Frances, was ist los?” Sie fühlte, wie ihre Kehle sich zusammenzog.
„Es ist wegen Roy”, kam die kaum verständliche Antwort, „er hat einen Unfall gehabt”
Für einen Moment stockte Linda der Atem. Dann schluckte sie hart und nahm sich zusammen. Sie und ihr Zwillingsbruder Roy standen sich sehr nahe. Seit dem Tode der Großeltern und Eltern war Roy der einzige, der von der Familie geblieben war. Ihr Herz schlug vor Angst. „Frances, ist er … er ist doch nicht etwa …”
„Nein, er lebt”, antwortete Frances mit gebrochener Stimme, „aber er ist sehr schwer verletzt…”
Roys Frau gewann langsam ihre Fassung zurück und konnte nun zusammenhängend berichten. „Es war Fahrerflucht. Roy kam gerade aus dem Zeitungsgebäude und wollte die Straße überqueren, als dieses Auto mit hoher Geschwindigkeit um die Ecke bog und ihn voll erfasste. Einer der Männer im Büro hat es gesehen. Der Wagen ist einfach weitergefahren. Keiner konnte das Nummernschild erkennen. Sie haben den Notarzt gerufen und mir dann Bescheid gegeben. Ich bin sofort ins Krankenhaus gefahren. Roy liegt auf der Intensivstation. Die Ärzte haben zwar versucht, mich zu beruhigen, aber sie wissen noch nicht, wie schlimm es ist.”
Tränen liefen über Lindas Wangen. Sie fühlte Ohnmacht und Trauer in sich hochsteigen, sie hatte das Bedürfnis, Frances in den Arm zu nehmen, sie wollte bei ihrem Zwillingsbruder sein. „Frances, ich werd’ das erste Flugzeug nehmen.”
„Oh, Linda, ich wollte dich nicht auf diese Art von der Arbeit abhalten, aber ich musste dich einfach anrufen …”
„Natürlich! Hör zu, Frances. Ich weiß nicht, wann ich ein Flugzeug kriegen kann, wir haben hier zurzeit Urlaubssaison.
Vielleicht kann ich heute Abend oder erst morgen früh da sein. Versprich mir, dass du mich anrufst, sobald du etwas Neues über Roy erfährst.”
„Werd’ ich machen.”
Linda legte auf und starrte auf das Telefon. Es blieb noch einiges zu erledigen, bevor sie zu ihrem Bruder und ihrer Schwägerin fliegen konnte, aber der Schock machte sie momentan unbeweglich.
Etwas Weiches, Warmes stieß an ihr Bein und brachte sie wieder zu sich. Sie schaute auf den schwarz-weißen Hund hinunter. „Oh, Eimer!” Sie kraulte seine weichen Ohren und brach in Tränen aus. Sie hob den Hund auf ihren Schoß und drückte ihn an sich. Mit seiner Zunge und einem mitfühlenden Laut versuchte Eimer, sie zu trösten.
Irgendetwas an dieser Sympathiebekundung half ihr, sich wieder zu fassen. Sie straffte die Schultern und griff nach einem Taschentuch. Sie nahm sich vor, sofort mit den zu erledigenden Aufgaben zu beginnen.
„Immer beim Anfang anfangen”, sagte sie zu sich selbst. Sie speicherte den vor ihr bearbeiteten Text auf eine Diskette und schaltete den Computer ab. Dann rief sie am Flughafen an und reservierte den frühesten Flug, der jedoch erst am nächsten Morgen ging.
Schließlich listete sie alle Dinge auf, die noch zu erledigen waren., Nach ihrem Universitätsabschluss vor fünf Jahren hatte sie eine Stelle bei einer Public Relations-Agentur angenommen. Drei Jahre später schließlich hatte sie gekündigt, um ihr eigener Boss zu werden. Seitdem arbeitete sie als freiberufliche Autorin und Redakteurin.
Von ihren Artikeln, die sie an Magazine und Zeitschriften verkaufte, den redaktionellen Arbeiten für Verlagshäuser und den
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