Bianca Extra Band 01
nahe genug, um zu sehen, was vor sich ging, aber nicht so nahe, dass sie unmittelbar teilnahm.
Wenn er sie doch bloß nicht geküsst hätte! Er hatte gedacht, dass ein Kuss vielleicht die Spannung verringern würde. Stattdessen konnte er noch immer ihre Lippen auf seinen spüren.
Im Weggehen meinte Whitney: „Ich mache ein Fläschchen.“
Sie nahm eine Flasche aus dem kleinen Kühlschrank und stellte sie in den Wärmer. Dann wartete sie – immer mit dem Rücken zu ihm.
Er hatte Schuldgefühle. Er hätte freundlicher sein sollen, vorsichtiger.
Whitney kam mit der warmen Flasche wieder. „Sobald er trinkt, schmieren wir ihm das Gel in den Mund, damit er wieder einschlafen kann.“
Panik stieg in Darius hoch. Er hatte Gino zwar schon zuvor gefüttert, aber jetzt hatte Gino Schmerzen.
Whitney konnte offensichtlich sehen, dass er zögerte, und sagte: „Leg dir Gino auf den Schoß, aber halte seinen Kopf etwas höher als sonst.“
Mit etwas Mühe schaffte Darius es.
„Jetzt setzt du den Sauger an seine Lippen. Er wird den Rest machen. Der Hunger wird stärker sein als seine Schmerzen.“
Darius folgte ihren Anweisungen, und Gino trank, als ob er am Verhungern wäre.
Whitney trat einen Schritt zurück. „Ich verstehe, dass es dich nervös gemacht hat, dass es ihm nicht gut ging.“
„Es tut mir leid.“
Sie wanderte zum Fenster und starrte in die Dunkelheit. „Dass du nicht weißt, wie man sich um ein Baby kümmert?“
„Dass ich dich so bedrängt habe.“
Ihre Augen blieben aufs Fenster gerichtet. „Du wusstest es ja nicht. Du hast dir Sorgen um Gino gemacht. Das kann ich verstehen.“
Er war vermutlich nicht der Erste gewesen, der ihr auf diese Weise wehgetan hatte. Sie würde es ihm nicht nachtragen.
Gino schob den Sauger aus seinem Mund, und Darius zog das Fläschchen weg. Er setzte den Kleinen etwas aufrechter hin und wartete ein paar Sekunden, bevor er ihm die Flasche noch einmal anbot. Gino saugte wieder weiter, und das Zimmer wurde von einer unheimlichen Stille erfüllt. Darius musste ein zweites unangenehmes Thema ansprechen.
„Es tut mir außerdem leid, dass ich dich geküsst habe. Es wird nicht wieder passieren.“
Whitney sah schweigend aus dem Fenster, und er hätte am liebsten gestöhnt, weil er so dumm gewesen war. Sie zu küssen war ein lächerlicher Impuls gewesen. Doch statt die Folgen durchzudenken, war er seinen Hormonen gefolgt.
Doch anstatt zu schimpfen, antwortete sie leise: „Woher weißt du, dass es nicht wieder passiert?“
„Weil es für keinen von uns eine gute Idee ist. Wir müssen die nächsten achtzehn Jahre miteinander auskommen, während wir dieses Baby großziehen. Wenn wir eine Beziehung anfangen würden, die scheitert, würde einer von uns wütend oder verletzt werden, und das ist nicht gut für Gino.“
Whitney starrte nach draußen, ohne etwas zu sehen. Schon zum zweiten oder dritten Mal hatte Darius gezeigt, wie wichtig ihm Ginos Wohl war. Es hatte sie schon heute Morgen überrascht, als er gemeint hatte, er wolle ein guter Vater sein. Doch erst danach, wie er sich während des Wartens auf den Kinderarzt verhalten hatte – fürsorglich, stark –, wusste sie, dass es ihm ernst damit war. Er hatte tatsächlich die Absicht, seinem Halbbruder ein guter Vater zu sein.
Sie riskierte einen Blick auf ihn. Er trug Jeans und einen ausgebeulten grauen Sweater und sah absolut umwerfend aus auf seine lässige, sportliche Art. Seine Haare waren nicht absichtlich zerzaust, sondern einfach nur ungekämmt, und einzelne Büschel fielen ihm in die Stirn – wie bei einem kleinen Jungen. Sein ansonsten ernstes Gesicht war entspannt. Weder Sorgenfalten noch ein Lächeln umspielten seinen Mund.
Sie hatte diesen Mund geküsst.
Darius hatte sie an sich gedrückt.
Sie hatte seinen Herzschlag unter dem Pullover gespürt.
Sie hätte sich an diesem Abend leicht vergessen und etwas Unvernünftiges tun können. Aber das Schicksal hatte sie beide davon abgehalten. Er hatte gesagt, dass er das nicht wiederholen wollte, und sie glaubte ihm. Nicht nur, weil Gino das Wichtigste für ihn war, sondern auch wegen ihrer Unterhaltung. Er wusste nun, dass sie Altlasten hatte. Auf keinen Fall würde ein Mann, der jede Frau haben konnte, eine Frau mit einer solchen Vergangenheit verführen wollen.
Was gut war.
Traurig, weil sie endlich begonnen hatte, sich in jemandes Gegenwart wohlzufühlen. Aber gut, weil sie am Abend zuvor Panik bekommen hatte. Sie hatte nicht gewusst, wie sie
Weitere Kostenlose Bücher