Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
ab und schwieg. Es hatte keinen Sinn, jetzt weiterzustreiten, es führte zu nichts als zu mehr Verwirrung.
Zunächst schien Friedrich Recht zu behalten. Er setzte seinen Siegeszug in Richtung auf Rom fort, durchquerte als Triumphator die Städte Montefiascone, Viterbo und Sutri und stand schon im Februar des Jahres 1240 einen Tagesmarsch vor Rom.
In Viterbo war es dann, wo sich Friedrichs Gemüt verschattete und seine dunkle Seite über ihn Gewalt bekam. Ein Teil der Bürger glaubte, auch nach der Besetzung dem Kaiser die Stirn bieten zu müssen, und trug in trotzigem Übermut das Kreuzeszeichen auf der Kleidung. Friedrich ließ einige Dutzend davon zusammenfangen und aufs Grausamste bestrafen. Da wurden Hände abgehackt und Ohren abgeschnitten, da brannten glühende Eisen große Kreuze auf die Stirnen der Störrischen. Drei der lautesten Schreier wurden auf dem Marktplatz bei lebendigem Leibe verbrannt. Ihr tierisches Gebrüll war in der ganzen Stadt zu hören und ließ die Kreuze auf den Gewändern schnell verschwinden.
In Rom zeigte sich, wie wenig beliebt der störrische, nun fast neunzigjährige Papst bei der Bevölkerung war. Ja, die Lage hätte |330| für Friedrich nicht besser sein können, doch am Ende machte ihm der Wankelmut der Römer einen Strich durch die Rechnung.
Papst Gregor entschloss sich zu einer Verzweiflungstat. Trotz der überall spürbaren Ablehnung folgte er bei der Prozession zu Petri Stuhlfeier dem Reliquienschrein, verfolgt von einer erbitterten Volksmenge, die ihn verhöhnte. Gregor blieb stehen und hob die Hand. Laut sprach er einige beschwörende Worte und schloss:
„Ich fliehe nicht, sondern erwarte hier die Barmherzigkeit Gottes.“
Dann nahm er seine Tiara ab, legte sie behutsam auf den Reliquienschrein und rief:
„Ihr Heiligen, verteidigt Rom, wenn die Römer es nicht mehr tun!“
Ja, und dann geschah, was es in Rom seit den ältesten Zeiten immer wieder gegeben hatte: Die Stimmung schlug um. Binnen weniger Tage verwandelte sich Rom in eine Festung, der Kaiser verzichtete auf einen Angriff und wich nach Apulien aus. Nachdem Friedrich Rom aufgegeben hatte, bestieg er in Terracina eine Galeere, um dann von Salerno aus den Landweg zu nehmen.
Königin Isabella war zwei Wochen eher aus Padua abgereist; sie wollte sich vorerst in Foggia niederlassen. Bianca begleitete den Kaiser auf dem Schiff, zusammen mit den Kindern. Beim letzten Teil der Schiffsreise trat eine Flaute ein, doch die Ruderer glichen das mit ihrer Muskelkraft aus.
Friedrich hatte sich in Biancas
stanzina
zu ihr auf das schmale Bett gesetzt. Da sie das Gespräch nicht eröffnete, tat er es.
„Du glaubst jetzt gewiss Recht behalten zu haben, was den Zwist mit Rom betrifft?“
Bianca hob unschlüssig ihre schmalen Schultern.
„Ist es so wichtig, wer Recht behält?
Nulla certa felicitas est
, hat mein Vater gern den Philosophen Seneca zitiert.“
Friedrich nickte.
„Jeder vernünftige Mensch weiß, dass Glück nicht beständig ist, aber darum geht es nicht, es geht um das Recht. Da gibt es nichts zu deuteln und zurechtzurücken – der Papst ist im Unrecht. Außer ihm und einigen Verblendeten weiß das die ganze Welt. Ich werde meine Truppen sammeln und im Sommer ein zweites Mal nach Rom ziehen, diesmal mit Unterstützung der Reichsfürsten. Recht ist unteilbar. Nicht einmal Gott kann daran etwas ändern.“
|331| Sie nickte nur leicht und schwieg. Friedrich lächelte.
„Das ist neuerdings deine Taktik: Du hüllst dich in Schweigen, anstatt zu widersprechen oder Gegenvorschläge zu machen.“
„Manchmal ist es besser so.“
„Nun gut, eigentlich wollte ich dich etwas fragen. Für unser künftiges Zusammenleben gibt es drei Möglichkeiten: Wir setzen es fort wie bisher und ziehen im Winter von Melfi nach Foggia. Aber dann ist ein Zusammentreffen mit Isabella nicht zu vermeiden. Du könntest aber auch das ganze Jahr in deinem geliebten Melfi bleiben, während die Königin in Foggia residiert. Der dritte Weg würde dir vermutlich ebenso wenig gefallen wie mir: Du richtest dich auf einem meiner Schlösser in der Umgebung von Foggia ein, etwa in Andria, Venossa oder im gerade fertiggestellten Castel del Monte.“
„Du hast Recht, es gefiele mir nicht und da du es offenbar auch nicht willst, möchte ich vorerst in Melfi bleiben.“
Er nickte.
„Da bist du ja schon fast zuhause. Dennoch wäre Castel del Monte einen Besuch wert, denn es ist etwas ganz Besonderes und von Melfi nur einen Reisetag
Weitere Kostenlose Bücher