Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
ein Wesen schaffen, Mann und Frau in einem Körper. Aber sie sollten sich fortpflanzen, und dazu braucht es zwei, die dann wieder zu einem Körper zusammenfinden. So lesen wir es auch in der Heiligen Schrift, etwa bei Matthäus: ‚Dann wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich mit einer Frau verbinden und so werden die zwei wieder ein Fleisch sein.‘ Damit will ich sagen, dass wir vielleicht zu Anbeginn schon füreinander bestimmt waren und …“
„Eure Rede strotzt vor Hochmut und Eigensucht! Gott hat euch also füreinander bestimmt? Dass ich nicht lache! Ich muss mir das nicht anhören und halte es für besser, wenn Ihr Euren Besuch abbrecht.“
Natürlich fand dieses Gespräch ohne Zeugen statt und so kam es der Sprache wegen zur Missverständnissen. Immer wenn Isabella erregt war, fiel sie ins Englische, weil sie nur so ihrem Ärger, ihrer Empörung Ausdruck verleihen konnte. Zudem fühlte sich Bianca von dem hohen, schrillen und empörten Ton in Isabellas Stimme so |368| verletzt, dass sie ihre sonstige sprachliche Rücksicht, nämlich nur einfache Worte zu wählen, vergaß, und ihre Rede dadurch für die Königin immer unverständlicher wurde. Zuletzt war es so, dass Isabella nur noch Vorwürfe und Beleidigungen hervorstieß, während sich Bianca in kalten Spott flüchtete. Was sie zuletzt noch verstanden hatte, war ein Tadel für die Anrede „Donna Isabella“, die sie gewählt hatte, um eine gewisse Nähe zu schaffen. Isabella aber bestand darauf, mit Majestät angesprochen zu werden.
Nun, sie ließ sich das nicht zweimal sagen und bat Anna noch am selben Tag zu packen.
Für den nächsten Morgen aber war geplant, die Arzneidosis zu erhöhen, nachdem sich die erste wohl als zu schwach erwiesen hatte.
Bianca war gerade beim Ankleiden, als die alte Zofe Mary sie um eine Unterredung bat. Um Missverständnisse auszuschließen, hatte sie gleich einen Dolmetscher mitgebracht. Sie solle nicht jedes Wort der Königin auf die Goldwaage legen und ihren schlimmen Zustand bedenken. Sie stehe vor dem Verlust eines Kindes und fürchte für ihr eigenes Leben. Die Königin bedauere ihre harten Worte und sie bitte Donna Bianca, wenigstens noch so lange auszuharren, bis das Kind – bis die Totgeburt überstanden sei. Hier stockte der Dolmetscher, weil ihm das italienische Wort für Totgeburt nicht geläufig war. So übersetzte er es mit
parto
, das ja ganz allgemein „Entbindung“ bedeutet.
Natürlich konnte sich Bianca der Bitte nicht verschließen, obwohl Anna eine Schnute zog und patzig fragte: „Dann soll ich also wieder auspacken?“
„Nur das Nötigste.“
Schon gegen Mittag begann das
secale cornutum
zu wirken. Nach kurzen, schrecklichen Wehen – Isabella hatte ihre Lippen blutig gebissen – stieß der Körper die tote Frucht ab. Es wäre ein Mädchen gewesen. Bianca hielt Isabellas Hand und redete ihr gut zu.
„Nun ist es überstanden, Majestät, und Ihr seid am Leben und werdet bald gesunden. Es muss ja nicht Euer letztes Kind sein …“
Isabella nickte nur und bewegte dabei die bleichen, blutgeränderten Lippen, als wolle sie etwas sagen, doch sie war noch zu schwach, um sprechen zu können. Sie schloss die Augen und schien eingeschlafen, doch als sich Bianca leise erhob, hörte sie ein |369| Flüstern. Sie beugte sich herab und vernahm kaum verständliche Wortfetzen, nur Friedrichs Name war deutlich herauszuhören.
Sie tätschelte beruhigend Isabellas Hand, die sich so kalt anfühlte, als sei das Leben entwichen.
„Ja“, sagte sie, „ja, ich habe verstanden.“
Freilich hatte sie nichts verstanden, doch die Königin öffnete halb die Augen und lächelte. Bianca empfand dabei ein leichtes Unbehagen, hatte sie doch nur gelogen, um die Geschwächte nicht aufzuregen.
Der Kaiser, vom nicht enden wollenden Konklave ermüdet und erbittert, wollte wenigstens die Weihnachtszeit mit seiner Familie verbringen. Er nahm den Weg über Campobasso und Lucera, wo er einen Teil seiner sarazenischen Truppen zurückließ. Dort empfing ihn die Botschaft, dass Königin Isabella, wohl als Folge ihrer Totgeburt, am ersten Dezember in den Frieden des Herrn eingegangen war.
In Foggia fand er von den Zeugen ihres Todes nur noch die alte, völlig verstörte Zofe Mary vor, denn Ärzte wie Hebammen hatten es vorgezogen, sich unsichtbar zu machen. Da von Mary nur tränenreiche Klagen in englischer Sprache kamen, bat Friedrich den Dolmetscher, sie gründlich zu befragen und ihm das Ergebnis
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