Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
lassen, die er an seine treuesten Anhänger verteilte. Nach antiker Manier war sein Gesicht im Profil zu sehen, bartlos, mit strengem herrscherlichen Blick, das Haupt mit Lorbeer umwunden, die Schultern von einem altrömischen Gewand bedeckt. Die Rückseite des Augustalis – so nannte man diese Prägung – zeigte einen stolzen kaiserlichen Adler mit ausgebreiteten Flügeln. Bianca hütete die Münze als ihren größten Schatz und hatte für sie ein purpurfarbenes Kästchen anfertigen lassen, innen mit blauem Samt ausgeschlagen. Immer wieder musste ihr Bruder Galvano sich fragen lassen, ob dieses Bildnis mit der tatsächlichen Erscheinung des Kaisers übereinstimme.
„Schließlich“ – wie oft musste er das hören! – „hast du Seine Majestät von nahem gesehen.“
Dann fiel ihm etwas ein, das ihre Fragerei beenden konnte.
„Nicht so ganz nah, denn stets war er von vielen Menschen umgeben, aber halt! Warum bin ich da nicht eher draufgekommen? Großvater hat mit dem Kaiser ein längeres Gespräch unter vier Augen geführt – frag doch ihn!“
Für seine Enkelin war Don Bartolomeo immer zu sprechen, für seine Söhne nur in dringenden Fällen. Allerlei Altersbeschwerden machten ihm zu schaffen und immer häufiger hatte er das Gefühl, die ihm noch bleibenden Lebensjahre seien wie Sand, der schneller und schneller aus seinen immer kraftloser werdenden Händen rann.
„
Nonno
, du bist der einzige aus unserer Familie, der den Kaiser aus allernächster Nähe gesehen hat – das stimmt doch?“
„Ja, Bianca, ich saß ihm an einem Tisch gegenüber.“
Sie hatte das Münzkästchen mitgebracht, öffnete es und legte es vor ihn hin.
„Stimmt dieses Bildnis mit dem überein, was du damals gesehen hast?“
|59| Don Bartolomeo beugte sich über die Goldmünze, ja, er nahm sogar sein geschliffenes Vergrößerungsglas zur Hilfe. Er hatte es von Giulias Vater erhalten, der auch mit arabischen Ländern Handel trieb und dabei manches Seltsame zutage brachte. Dann legte er die Lupe behutsam beiseite, dachte nach und sagte schließlich:
„Ja und nein. Es gibt so etwas wie eine äußere und eine innere Ähnlichkeit. Die äußere Ähnlichkeit ist zwar da, denn der Kaiser ist bartlos, seine Augen sind groß und ausdrucksvoll, seine Nase gerade und von antiker Schönheit, sein Kinn kräftig. Größer jedoch ist die innere Ähnlichkeit, auch wenn es nicht jedem gegeben ist, sie zu erkennen. Da kann ich den Münzmeister nur loben, denn ihm ist es gelungen, die erhabene Majestät dieses Menschen darzustellen, sodass ich dir versichern kann: Die innere Ähnlichkeit des Münzbildes mit diesem Mann ist groß.“
Hatte Bianca verstanden, was der Großvater damit sagen wollte? Vielleicht nicht im Einzelnen, aber die Antwort hatte sie zufriedengestellt, es blieben keine Fragen mehr offen, die das Aussehen des Kaisers betrafen. Andere wohl, und die stellte Bianca von Zeit zu Zeit und Don Bartolomeo – über das Wirken des Kaisers meist gut informiert – versuchte sie nach bestem Wissen zu beantworten.
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In seiner äußeren Erscheinung wie auch im inneren Wesen hatte Kaiser Friedrich von Vater und Großvater ein deutliches Erbe übernommen – im Guten wie im Schlechten. Vom Großvater Barbarossa hatte er das rötliche Haar, die Wohlgestalt und das helle, freundliche Wesen geerbt, auch Scharfsinn, Entschlossenheit und eine offene Hand wurden ihm und später seinem Enkel nachgerühmt. Grausamkeit und Strenge wandte Barbarossa nur an, wenn die Umstände ihn dazu zwangen.
Sein Sohn, Heinrich VI., geriet ganz und gar nicht nach ihm. In einem schmächtigen Körper wohnte ein scharfer Geist, der auf Macht und nur auf Macht ausgerichtet war. Sie war seine einzige Leidenschaft und um sie zu erhalten und auszuweiten, wandte er – vorsichtig ausgedrückt – bedenkliche Mittel an, die bis zu einer kaum zu beschreibenden Grausamkeit reichten. Großmut kannte er |60| nicht und wenn er sie dennoch zeigte, so war eine politische Absicht damit verbunden. Seinen Sohn Friedrich hatte er nur zweimal kurz gesehen und als er – erst 31 Jahre alt – in Messina am Fieber starb, war Friedrich gerade drei Jahre alt geworden.
Auf einen kurzen Nenner gebracht: Kaiser Friedrich II. war seinem Großvater in seiner heiteren, gewinnenden Art sehr ähnlich, hatte aber vom Vater die unerbittliche, oft grausame Strenge übernommen, wenn es galt, politische Absichten durchzusetzen.
Für Grausamkeit, besonders in ihrer extremen Form, gibt es keine
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