Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
ihrem Erlebnis in der Casa Gioia – nicht miteinander und auch nicht zu anderen.
Für Galvano begann mit dem nächsten Jahr ein neues Leben an der Seite seiner Frau Giulia. Auch sie trug den Familiennamen Lancia, doch die Verwandtschaft war nicht sehr eng, da sich schon vor etwa zwei Jahrhunderten die Zweige dieser Sippe geteilt hatten. Die einen waren Krieger und Gefolgsleute der Staufer geworden und hatten von Kaiser Friedrich Barbarossa die Grafenwürde erhalten. Der andere Zweig hatte sich auf den Handel verlegt, sie waren Kauffahrer und durch glückliche Fügung sehr reich geworden. Weniger glücklich verlief das Familienleben, denn es gab keine Kinder. Über mehrere Generationen hatte es gerade immer zu einem Sohn gereicht, zuletzt aber war nur Giulia geblieben. So hielten es beide Familien für richtig, die beiden Zweige wieder zu vereinen, und der Brautvater konnte sich damit trösten, dass sein Name auch über die Tochter erhalten blieb.
Es wäre noch zu fragen, ob Galvano aus der Probe-Hochzeitsnacht mit der Kurtisane Julia die entsprechenden Lehren zog. Das ist schwer zu sagen, denn Giulia war von ihrem Vater schon früh in seine Geschäfte mit einbezogen worden, hatte an Verhandlungen teilgenommen und dabei ein heiter-furchtloses Wesen erworben. Die Hochzeitsnacht fand sie nicht angstvoll zitternd oder demütig-ergeben in der Erwartung ihres Gatten, sondern fest entschlossen, alles so gut und richtig wie möglich zu machen. Von Galvanos rücksichtsvollem Verhalten war sie nicht überrascht, es hatte nur ihre Erwartungen bestätigt. Sie fand die Brautnacht recht |57| vergnüglich, öffnete sich weit und willig Galvanos Begehren und so wurde schon damals ein Sohn gezeugt, der nach Galvanos unbeugsamen Willen den Namen des Kaisers erhielt, freilich in der italischen Form Federico.
Der Hauptmann Jörg aus Innsbruck aber betrachtete von dieser Reise an seine Frau mit mehr Nachsicht. In Pisa fand er eine Witwe, die ein kleines Haus zu unterhalten und für drei Kinder zu sorgen hatte. Er mietete dort eine Dachkammer und besuchte als „guter Onkel“ seine Ersatzfamilie von Zeit zu Zeit. Die Witwe hatte nichts dagegen, dass seine Besuche meist in ihrem Bett endeten, sie war noch keine dreißig und schätzte durchaus die kräftige Hausmannskost, die dieser bärtige Deutsche zu bieten hatte.
Aus Giulia Lancia – jetzt Biancas
cognata –
wurde bald die Herrin des Hauses. Don Bartolomeo, dem Großvater der drei Kinder, war das ganz recht und er zog sich mehr und mehr auf seine Bücher zurück.
Der frühe kriegerische Geist des Hauses, vom Jäger Tommaso und seinem gelehrten Vater eher vernachlässigt, fand durch Giordano eine neue Belebung. Kaum mündig geworden, ging er zur Bürgerwehr, die alle waffenfähigen Männer von vierzehn bis vierzig aufnahm und durch erfahrene Krieger gründlich ausbilden ließ. Schon mit sechzehn gehörte Giordano zu den geschicktesten Armbrustschützen und war bei den alljährlichen Wettbewerben regelmäßig unter den fünf Besten. Mit dem Wurfbeil traf er einen Kürbis auf zwanzig Ellen, den Speer schleuderte er mit achtzehn so weit, dass keiner mehr gegen ihn antreten wollte. Sein jugendliches Ungestüm milderte sich allmählich, tobte sich bei den Waffenübungen aus.
Berta und Giulia, die neue Herrin des Hauses, konnten sich anfangs nicht ausstehen. Giulia hätte sich nicht gescheut, dieses Hindernis zu beseitigen, wären nicht Biancas Protest und Don Bartolomeos Einlenken gewesen. Er gab der Schwiegertochter zu verstehen, dass Berta von Anfang an Biancas eigentliche Mutter gewesen war, und so fand sich die Regelung, dass die Amme dem weiblichen Hausgesinde vorstand und dabei Giulia gegenüber verantwortlich war. Dazu erzog sie Bianca in allem, was den weiblichen Körper betraf. Don Bartolomeo aber fühlte sich für die geistige Entwicklung seiner überaus wissensdurstigen Enkelin zuständig und tat alles, um aus ihr einen rundum gebildeten Menschen zu machen.
|58| Sie hatte den Bericht des Großvaters über die denkbare Herkunft ihrer Familie niemals vergessen, aber sowohl Lancelot wie auch der mögliche Urahn aus der kaiserlichen Leibwache waren lange tot und gesichtslos im Dunkel einer fernen Vergangenheit verschwunden. Dafür gab es den Kaiser Friedrich, der lebte und dessen Gesicht auf einer schweren Goldmünze zu sehen war, die der Großvater ihr zum zehnten Geburtstag geschenkt hatte. Die Münze war noch nicht im Umlauf, doch der Kaiser hatte Probeprägungen schlagen
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