Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
fähig war, aber schon im nächsten Monat blieb ihre Regel aus.
Brindisi war auch zuvor eine lebhafte Hafenstadt gewesen, aber jetzt glich sie einem kochenden Topf. Rings um Brindisi war ein neuer, weitaus größerer Ort entstanden, eine bunte Zeltstadt mit Straßen, Läden, Kneipen, Wechselstuben, Hurenhäusern und Plätzen, auf denen abwechselnd Wanderprediger geiferten oder Gaukler und Akrobaten ihr vielsprachiges Publikum mit Vorführungen unterhielten, die auch ohne Sprachkenntnisse verstanden wurden.
Diese Zeltstadt diente nicht nur einfachen Pilgern oder allerlei losem Volk zur Unterkunft, auch der hohe Adel mied die enge, maßlos übervölkerte Stadt und hatte sich draußen eingerichtet. So wehte über einem prunkvollen und sehr geräumigen Zelt die Fahne des Landgrafen von Thüringen, den Friedrich sofort nach der Ankunft zu seinem Stellvertreter hatte ernennen lassen. Dem Landgrafen |101| folgten tausende von deutschen Kreuzfahrern, die ihre Zelte schon weit außerhalb der Stadtmauern errichten mussten.
Vorhin war von einem siedenden Topf die Rede gewesen, nun aber, als Ende Juli weitere tausende von englischen Pilgern eintrafen, begann der Topf überzukochen. Das Wasser wurde knapp, der Nachschub an Proviant immer kärglicher. Wie die Nahrung, so ließ auch der stets vom Meer kommende erfrischende Wind nach, bis er ganz erstarb. Alles in und um Brindisi begann zu stinken. Zuerst die hochgetürmten Müllhaufen, dann die kaum noch versorgten Latrinen, auch das brackig gewordene Wasser in den Fässern und Zisternen. Um die kranken und schlaffen Menschen entstand ein fauliger Dunst und was an Nahrung noch vorhanden war, wimmelte vor Fliegen und Maden. Dies alles stank so gewaltig zum Himmel, dass sich über Brindisi eine trübe Dunstglocke bildete, wo all die üblen Gerüche sich zusammenfanden und drohten, die Stadt zu vergiften.
In den letzten Augusttagen kam dann, was unweigerlich kommen musste: Es brach eine fiebrige Seuche und mit ihr eine ungeheuere Panik aus. Fast alle diese Menschen waren bereit, für die Rückgewinnung der heiligen Stätten ihr Leben einzusetzen, aber hier, noch vor der Abreise elend zu verrecken, das trieb sie in den Wahnsinn. Wer konnte, flüchtete landeinwärts und die schon Erkrankten schleppten die Seuche in apulische Städte und Dörfer.
In dem verzweifelten Bemühen, den Kreuzzug noch halbwegs zu retten – und auch um ein Beispiel zu geben –, bestieg der Kaiser zusammen mit dem Landgrafen von Thüringen und einigen hohen Adligen ein Schiff, doch die Krankheit hatte beide schon erfasst und sie mussten auf der kleinen Insel San Andrea Halt machen. Als ihr Zustand sich besserte, segelten sie weiter, doch der Landgraf erlitt einen Rückfall und sie mussten in Otranto anlegen. Dorthin hatte Friedrich gleich nach dem Ausbruch der Seuche seine Gemahlin bringen lassen.
Wenige Tage später starb Ludwig von Thüringen und Friedrich folgte dem dringenden Rat seiner Ärzte und reiste nach Pozzuoli, um dort in den Schwefelbädern Heilung zu finden. Die schwangere Jolanda musste nicht mehr in ihre Verbannung nach Terracina zurück, sondern durfte nach Melfi reisen, Friedrichs Lieblingsaufenthalt. Dort aber lebte auch Anais, die kaiserliche Geliebte. Sie bemühte |102| sich, ihrer früheren Herrin ganz unbefangen gegenüberzutreten, aber es hätte der Anstrengung nicht bedurft, denn Jolanda war ahnungslos. Man hatte in Terracina alle Gerüchte sorgfältig von ihr ferngehalten und selbst wenn sie es erfahren hätte, wäre sie kaum davon berührt worden. Der Kaiser war kein Mann wie andere, das hatte sie bald erkannt.
Gleich nach seiner durch Krankheit erzwungenen Umkehr hatte Friedrich eine Delegation nach Rom gesandt, die den Papst von den Ereignissen unterrichten sollte. Gregor, der schon vorher davon erfahren hatte, weigerte sich, die Gesandtschaft zu empfangen und verhängte am 29. September den Bann über Kaiser Friedrich. Der Wortlaut des Bannspruchs war derart von Hass getragen, dass niemand daran zweifeln konnte, der Papst wolle Kaiser Friedrich vernichten, aus welchen Gründen auch immer. Unter anderem hieß es darin, der Kaiser habe sein Heer im Stich gelassen und somit das Heilige Land den Heiden in den Schoß geworfen, um dann zu seinen üblichen Schwelgereien zurückzukehren.
Es ist nur schwer zu glauben, welch seltsamen Beschluss Friedrich in all dieser Bedrängnis fasste, und zwar schon während seines Aufenthaltes in den Schwefelbädern von Solfatara am Stadtrand
Weitere Kostenlose Bücher