Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
Sprache zurück.
„Ich soll also – ich muss – aber was wird der Kaiser dazu sagen? Er erwartet dich, Galvano, und keinen anderen!“
„Nein, Giordano, du musst das anders sehen. Du bist ein erwachsener Mann von zwanzig Jahren und durchaus fähig, unsere Familie zu vertreten, hast es schließlich auch getan, als wir nach Cremona gingen.“
|107| Galvano hätte nicht besser argumentieren können. Als nämlich Giordano daran dachte, welche kniffligen Entscheidungen demnächst anstanden, hatte er sich innerlich schon entschieden, aber so leicht wollte er es seiner Familie auch nicht machen. So rief er mit gespielter Empörung:
„Das war etwas anderes! Da war ich der Lancia von Pisa, aber jetzt soll ich Truppen führen, vielleicht sogar mit dem Kaiser reden …“
Galvano winkte ab.
„Ich gebe dir ein Schreiben für den Kaiser mit, darin ist alles erklärt. Übrigens ist es durchaus möglich, dass Friedrich dich auffordert, ihn auf den Kreuzzug zu begleiten. Das musst du ablehnen.“
„Warum? Es ist doch in jeder Hinsicht verdienstvoll, um das Heilige Land zu kämpfen.“
„Mag sein, doch wir können es uns nicht leisten. Du berufst dich auf mich und sagst, die kaisertreuen lombardischen Familien dürfen jetzt in keiner Hinsicht geschwächt werden, schließlich steht der Endkampf noch bevor.“
„Ja, gut, ich werde mein Bestes tun.“
Nun blickte Galvano auf seine Schwester.
„Da ist noch etwas, das ihr alle wissen sollt.“
Er zog das kaiserliche, an ihn persönlich gerichtete Schreiben aus der Tasche und las es langsam vor. Es waren ja nur wenige Sätze, deren letzter lautete: „Wenn nicht gewichtige Gründe Unserem Wunsch entgegenstehen, so soll Donzella Bianca Euch zum Hoftag begleiten.“
„Euch, das heißt dich!“ Giordano wies anklagend auf seinen Bruder.
Der ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
„Das haben wir jetzt schon hinreichend geklärt und du hast zugestimmt. Jetzt aber geht es um Bianca. Sie selbst empfindet den Wunsch des Kaisers als Befehl, dem man folgen muss.“
Giulia hatte bis jetzt noch nichts gesagt, doch nun meldete sie sich zu Wort.
„Ihr wollt doch nicht allen Ernstes das Kind auf eine so weite Reise schicken?“
„Ich bin kein Kind mehr!“, warf Bianca dazwischen. „Ihr könnt ja Berta fragen.“
„Das“, rief Giulia empört, „wäre wohl das Letzte, was ich tun würde: eine Magd um ihre Meinung fragen!“
|108| „Sie hat sich mehr um mich gekümmert als alle anderen!“
Galvano schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
„Schluss jetzt! Es geht nicht um Berta und auch nicht um uns, es geht um Bianca und um die Frage, mit welcher Begründung wir einen kaiserlichen Wunsch ablehnen sollen, noch dazu einen so ehrenvollen.“
Giulia runzelte unwillig ihre sonst so glatte Stirn.
„Was ist daran so ehrenvoll?“
„Hofdame einer Kaiserin – wem bietet sich eine solche Möglichkeit?“ Galvano sagte es mit nachdenklicher Miene und fügte hinzu: „Es hängt freilich alles davon ab, ob Bianca das wirklich möchte. Gegen ihren Willen soll es nicht geschehen und dann fallen mir auch die vom Kaiser erwünschten ‚gewichtigen Gründe‘ ein, um seinen Wunsch abzulehnen.“
Alle Blicke richteten sich nun auf Bianca, die bisher geschwiegen hatte. Doch sie musste sehr behutsam vorgehen, durfte nichts von ihren wirklichen Gefühlen preisgeben.
„Der Kaiser hat in seinem Schreiben einen Wunsch und keine Bitte geäußert. In diesem Fall aber ist der Wunsch als Befehl zu verstehen. Befehle wird der Kaiser nur äußern, wenn es sich um seine Dienerschaft oder seine Truppen handelt. Einem Grafen Lancia gegenüber wird er es niemals tun.“
„Und woher weißt du das alles?“, platzte Giordano heraus. „Du tust ja gerade so, als sei das Hofleben dir seit Jahren vertraut. Das kann doch alles ganz anders sein …“
„Nein, ist es nicht. Großvater hat mit mir öfters über Sinn und Wesen der Monarchen gesprochen. Er selber hat Kaiser Friedrich Barbarossa noch gesehen und mit seinem Sohn, Kaiser Heinrich, längere Gespräche geführt.“
Das stimmte zwar nur zum Teil, aber so, wie sie es mit fester Stimme, in fast autoritärem Ton aussprach, wurde es zur Wahrheit – zur ganzen Wahrheit.
Giulia hakte nach:
„Deine eigene Entscheidung kennen wir immer noch nicht, unabhängig davon, ob der Kaiser einen Wunsch, eine Bitte oder einen Befehl ausgesprochen hat.“
„Diese Frage stelle ich mir nicht“, sagte Bianca mit tiefernstem Gesicht. „Wenn der
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