BIANCA SPEZIAL Band 06
Gefühl, eine Situation schon einmal erlebt zu haben. Sie versuchte, sich zu erinnern. Erst nach längerem Nachdenken fand sie in die Realität zurück. Sie befand sich in Sins Ferienhaus.
Bobbi warf die Decke zurück und stellte fest, dass sie noch den Trainingsanzug und das Hemd vom Tag zuvor trug. Nur die Schuhe fehlten.
Dann schaute sie sich in dem komfortablen Raum um. Die Möblierung wirkte schlicht, was sie jedoch in Wirklichkeit nicht war. Jede Kommode, jeder Tisch und Stuhl zeugte von sorgfältiger Handarbeit, und ihr war klar, dass für das Messingbett, in dem sie lag, ein nicht geringer Preis bezahlt worden war. Handgewebte Vorhänge schmückten die Fenster. Passend dazu in Rot und Blau waren die Bettdecke und die Stuhlkissen gefertigt.
Die anheimelnde Atmosphäre des Raums überwältigte sie. Heim ist ein gutes Wort dafür, dachte sie und schwang die Beine aus dem Bett. Aber sie wusste es besser. Die Atmosphäre entsprach nicht den Tatsachen. Das durfte sie niemals vergessen. Ihre Begeisterung für Familie und dauerhafte Häuslichkeit führten nur dazu, Dinge zu erfinden, die nicht der Realität entsprachen.
Barfuß tapste sie über den Holzfußboden zum Badezimmer, das in denselben Farben wie das Schlafzimmer gehalten war. Der Anblick der antiken Badewanne mit Klauenfüßen, dem Handwaschbecken und den Schränken begeisterte Bobbi.
Sie eilte die Treppe hinunter und fragte sich, ob sie wachte oder träumte. War sie wirklich vom Vater ihres Babys aus ihrer schlichten, jedoch zu ihr passenden kleinen Wohnung entführt worden?
Ein geräumiger Wohnraum unterstrich ihre Überlegung. Um die Ziegelwand unter der Treppe verlief ein Sims aus Eichenholz, auf dem Zinnsoldaten standen und die Geschichte vieler Jahrhunderte repräsentierten. Darüber hing eine Muskete mit einer Pulverflasche. Über den Ziegeln bis zum Dach hinauf waren die rohen Steine sichtbar, aus denen das ganze Haus erbaut war. Zwei Schaukelstühle mit rot-blau gemusterten Kissen standen zu beiden Seiten des Kamins.
Bobbi staunte mit offenem Mund. Sie hatte nicht ahnen können, dass Sin ein Sammler von Antiquitäten war.
„Eine Menge von diesen Dingen hat meine Mutter gesammelt“, hörte sie Sin sagen, der auf einmal hinter ihr auf der Türschwelle stand, die in die Küche führte. „In ihren eigenen Häusern hatte sie keinen Platz dafür, so schob sie mir die Sachen unter, als ich diese Hütte übernahm.“
Bobbi schüttelte den Kopf. „Es ist … perfekt.“ Sie berührte die glänzende Oberfläche eines alten Tisches, den Stühle mit spindelförmigen Rückenlehnen umstanden. „Schöne Gegenstände aus der Vergangenheit in Verbindung mit dem Komfort der Dinge des Alltags sind geradezu ideal. Genau das ist es, was ich in meiner Arbeit suche.“
„Dann wirst du dich hier zu Hause fühlen.“ In Jeans und blauem Sweatshirt lehnte Sin an dem Türrahmen. Bobbi fühlte sich zu diesem Mann hingezogen, glaubte aber, Distanz halten zu müssen. „Bereit zum Frühstücken?“, fragte Sin.
„Grapefruit und Körner?“
„Körnerpfannkuchen mit Äpfeln.“ Sin warf sich das Handtuch über die Schulter und ging in die Küche. „Komm mit, Bobbi.“
Das Frühstück schmeckte delikat. „Du bist ein guter Koch, Sinclair“, lobte Bobbi. „Was gibt es zum Lunch?“
„Du darfst raten.“ Sin schenkte ihr Orangensaft nach.
Sie saßen am runden Küchentisch auf antiken Stühlen. Eine Glastür führte auf die Terrasse, auf der Bobbi eine Sitzgruppe aus Rattanmöbeln stehen sah. Gleich anschließend erstreckte sich ein dichter Wald.
Bobbi reckte sich und versuchte, sich des Gefühls der Geborgenheit zu erwehren, das sich ihrer bemächtigt hatte. „Wir müssen ein paar Dinge besprechen, Sin“, begann sie in herrischem Ton, während sie ihre Tasse beiseite schob.
„Ich habe nichts dagegen.“
Sin sah Bobbi interessiert an und brachte sie damit für einen Moment aus der Fassung. „Ich bin ein freier Mensch“, sagte sie mit Nachdruck, indem sie mit einem Finger auf sich wies.
Dann zögerte sie, gab damit Sin Gelegenheit, ihr zuzustimmen. Aber das tat er nicht. Das war kein guter Anfang.
„Könntest du dich wohl dazu äußern?“, fragte sie kühl.
„In zwei Punkten muss ich dir widersprechen. Erstens: Ich halte Freiheit für ein Mythos. Freiheit gibt es nicht. Jeder will sie erlangen, niemandem gelingt es. Man schuldet immer irgendjemandem irgendetwas, sei es finanziell oder emotional. Wie sehr du dich auch bemühst, dich aus dem
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