BIANCA SPEZIAL Band 06
ihm einen Stoß in die Rippen zu versetzen, und dem Verlangen, tröstend einen Arm um ihn zu legen, weil der alte Groll offensichtlich tiefer steckte, als ihr bewusst gewesen war.
Regen trommelte gegen die Windschutzscheibe, als Sin und Bobbi nach Hause fuhren. Es hatte einen plötzlichen Wetterumschwung gegeben, und Bobbi hätte schwören mögen, dass der Wechsel einflussreicher war als sonst bei Tiefdruck und Übergreifen von Kaltfronten. Jedenfalls meinte sie, etwas Derartiges an Sin wahrzunehmen.
Buttercup lag zusammengerollt auf dem Rücksitz des Wagens neben einem in Plastik gehüllten antiken Kinderstuhl, den Gina und Patrick für ihr Baby ausfindig gemacht und Bobbi zur Restaurierung überlassen hatten.
„Soll ich mal eine Weile fahren?“ Sin sieht müde aus, dachte Bobbi. Das Festhalten an altem Groll kann Schwerstarbeit bedeuten.
Eine Spur von Belustigung lag in dem kurzen Blick, den Sin ihr daraufhin schenkte. Er stellte die Geschwindigkeit der Scheibenwischer auf eine höhere Stufe. „Aber vielen Dank. Du würdest ja wohl kaum hinters Steuer passen.“
Bobbi tätschelte ihren vorgewölbten Bauch. „Sie wird nie vergessen, wie gemein du zu ihrer Mutter warst, weißt du.“
Nun musste auch Sin lächeln. „Sie?“
„Ja. Das Baby beginnt, wie ein weibliches Wesen zu fühlen. Wenn ich esse oder eine Seifenoper sehe, verhält es sich ganz still. Auf Football im Fernsehen reagiert es hingegen mit Tritten …“
„Vielleicht will sie nur ihre Anteilnahme ausdrücken.“
„Ich denke, sie drückt damit ihre Unzufriedenheit aus.“
„Vielleicht ist es dennoch ein Er.“
Bobbi seufzte und legte den Kopf zurück. „Es wäre schön, wenn Gina ein Mädchen bekäme, dann könnte unser Sohn ihre Tochter heiraten. Und was immer auch geschehen mag, wir wären Freunde auf ewig, weil wir gemeinsame Enkelkinder hätten.“
Einen Moment war nur das Trommeln des Regens auf dem Wagen und das Zischen der Reifen auf der nassen Straße zu hören.
„Sin?“, fragte Bobbi leise.
Er ahnte, was nun kam. Es hatte ihr auf der Zunge gelegen, seit er sich am Nachmittag zuvorkommend aber flüchtig von seinen Eltern verabschiedet hatte. Er wollte nicht darüber sprechen.
Als er schweigend geradeaus starrte, wartete Bobbi seine Antwort nicht ab. „Wetten, dass sie gar nicht in Gstaad erwartet werden?“
„Sie haben Weihnachten auch früher schon des Öfteren in Gstaad verbracht.“
„Und aufgrund dieser Kenntnis meinte deine Mutter, du glaubst ihrer Ausrede.“
„Das tue ich.“
„Ich nicht.“
„Sie ist immerhin meine Mutter und nicht deine.“
„Sie sollte aber auch meine sein. Ich bin mit ihrem Sohn verheiratet, werde also zu einem Mitglied ihrer Familie.“
„Bobbi, ich heiratete dich nicht, damit ich dir helfe, Ersatz für deine verstorbenen Eltern zu finden.“
„Ich dachte an die Großeltern unseres Babys.“
„Wir werden sie nicht einladen, die Feiertage mit uns zu verbringen. Schluss aus, Ende der Diskussion!“
Bobbi rutschte unter ihre Decke. Sie fühlte sich müde und deprimiert. „Jedenfalls ist das nicht das Ende eurer Beziehung. Eines Tages musst du dich damit auseinandersetzen.“
„Sei still, Sweetheart ! Schlaf schön.“
Dezember …
In der ersten Woche regnete es beinahe ununterbrochen. Danach folgten zwei eiskalte, sonnige Tage, an denen die Temperaturen weit unter zehn Grad fielen.
Nachdem Bobbi die Wiege restauriert hatte, legte sie die kleine Decke vom Flohmarkt hinein und stellte ihr Werk vor das Fußende ihres Bettes. Während Sin kochte und ständig ihren Zustand überwachte, stellte sie auch die anderen Möbelstücke vom Flohmarkt wieder her. Die freie Zeit verbrachte Sin mit dem Lesen der Akten, die ihm von seiner Kanzlei durch einen Boten übersandt wurden.
Sins Eltern wurden nicht mehr erwähnt.
Die liebevolle und herzliche Atmosphäre zwischen Sin und Bobbi hielt an, aber wegen der offensichtlich unvereinbaren Meinung zum Thema Weihnachten herrschte eine gewisse Spannung. In bester Absicht gingen sie dem Problem aus dem Weg. Sin, weil er überzeugt war, es sei für sie beide nicht von Bedeutung. Bobbi, weil sie fest entschlossen war, Sins Meinung noch rechtzeitig zu ändern.
„Sind Geschenke erlaubt?“, fragte sie, an dem dritten eiskalten Morgen.
Die Sonnenstrahlen erhellten die Küche. Sin las gerade die erste Seite des „McMinnville News Register“ und nippte wie geistesabwesend an seinem Kaffee. Bobbi strich Marmelade auf ihr letztes
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