BIANCA SPEZIAL Band 06
aber nun erst richtig beachtete. Bisher hatte sie angenommen, dass es sich um Sommersprossen handelte. Aber wenn es nun Altersflecken waren?
„Hast du was?“, erkundigte sich Glen.
Natürlich habe ich was, dachte sie gereizt, meine Nichte ist schwanger, aber ich bin es nicht.
Er schob sich den unvermeidlichen Stetson aus der Stirn und rieb sich die Brauen.
„Ich bin erst sechsunddreißig.“
„Das stimmt, aber Nicole ist immerhin schon zweiundzwanzig. Außerdem ist sie verheiratet. Also besteht kein Grund zur Aufregung.“
Seine Bemerkung war eine Anspielung auf den Umstand, dass Aprils Schwester im letzten Schuljahr schwanger geworden war. Ihre Mutter hatte sehr aufgebracht auf das nicht eheliche Kind reagiert. Seitdem hatte sich nicht viel geändert. Die meisten Bewohner der Kleinstadt Harmony Grove hegten ähnlich altmodische Ansichten und verdammten diejenigen, die nicht an der Tradition festhielten.
„Ja, zum Glück ist sie verheiratet“, stimmte April zu. „Offensichtlich ist es ihr gelungen, John von seinem Computer loszueisen – zumindest einmal.“
Glen legte ihr beschwichtigend einen Arm um die Schultern. „Er ist kein schlechter Kerl, weißt du.“
Er hatte recht. Vielleicht beruhte ihre Abneigung gegen John nur auf Eifersucht, weil sie selbst keinen Mann hatte. „Ja, wahrscheinlich wird er ein guter Vater sein.“ Sie blickte lächelnd zu ihm auf. „Ich will es ihm geraten haben.“
Er reichte ihr erneut das Handy. „Ruf Nicole an. Sie kann es kaum erwarten, dir die frohe Botschaft mitzuteilen.“ Er nahm Daisys Zügel und führte sie zum Stall. Über die Schulter fügte er hinzu: „Und tu so, als ob du noch nichts wüsstest.“
April hielt den Apparat in ihrer gesprenkelten Hand. Ohne Brille sah sie die Ziffern auf den Tasten ein wenig verschwommen. Sie hielt den Apparat auf Armeslänge von sich.
Ein Anflug von Panik beschlich sie. Wenn sie jemals ein Baby bekommen wollte, dann wurde es höchste Zeit. Wenn sie noch länger wartete, bekam sie graue Haare, bevor sie ihr Kind im Kindergarten anmeldete.
Zuerst hatte sie mehrere Jahre durch eine Ehe mit dem falschen Mann vergeudet. Dann hatte sie ebenfalls mehrere Jahre lang nach dem richtigen Mann gesucht, der jedoch nie aufgetaucht war. Anschließend hatte sie all ihre Energie darauf verwendet, den Campingplatz zusammen mit Glen in ein profitables Geschäft zu verwandeln.
Und während die Jahre dahingingen, schwanden ihre Chancen, einen guten Ehemann und Vater zu finden. Die meisten Männer ihrer Altersklasse waren entweder bereits verheiratet oder befanden sich in der Midlifecrisis und suchten nach Frauen, die mindestens zehn Jahre jünger waren. Und mit jedem Jahr wurde das magere Angebot noch dürftiger.
Eine Staubwolke auf der Schotterstraße, die zum Campingplatz führte, erregte Aprils Aufmerksamkeit. Sie erkannte einen Wagen in dem kleinen Punkt in der Ferne. Vermutlich kamen Gäste zu einem Campingwochenende in der Vorsaison. Sie hoffte, dass sie kein Baby bei sich hatten.
Die kommenden Sommermonate würden mehr als genug Babys, Kleinkinder und Grundschulkinder mit sich bringen, die April mit altersgerechten Aktivitäten unterhalten musste. Wie sollte sie eine weitere Saison überstehen, in der sie andere Leute um ihre Kinder beneidete?
Sie steckte sich das Handy in die Tasche und beschloss, ihre Nichte anzurufen, nachdem sie die Neuankömmlinge auf dem Campingplatz untergebracht hatte. Und sie nahm sich vor, fröhlich zu klingen, auch wenn ihr ganz anders zumute war.
Während sie beobachtete, wie sich die Staubwolke näherte, kam ihr eine Idee.
Der kleine Rocky zappelte unter ihrer Bluse, wie um den Entschluss zu bestärken, den sie soeben gefasst hatte.
Sie wollte ein Baby bekommen, was es auch immer dazu brauchte. Ein Lächeln spielte um ihre Lippen, und ihr wurde leichter ums Herz.
Der Wagen fuhr auf den Parkplatz. Doch es handelte sich nicht um eine Familie mit entzückenden Kindern. Es war vielmehr der Deputy. Er stieg aus, streckte sich und blickte sich gemächlich um.
„Die Campingsaison hat noch gar nicht angefangen“, bemerkte April. „Es gibt bestimmt nichts, worüber Mrs. Turner sich schon beschweren kann.“
Er hakte die Daumen in die Gürtelschnallen und näherte sich ihr mit stolzem Gang, der bei seinem kleinen Wuchs lächerlich gezwungen wirkte. Sein Namensschild war offen sichtlich frisch poliert und glitzerte in der Sonne. Deputy Dugg stand darauf.
Sie hatte gehört, dass er von Montag bis
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