Bibbeleskaes
Waschsteinen, als ich ins Wasser stieg, um mir den Toten anzusehen. Gewimmert hat er wie ein kleines Kind. Ein Häufchen Elend, ein Wrack, nicht mehr mein Felix. Und schuld daran war der böse Alte! Da war immer noch das Messer in meiner Tasche. Es war ein Reflex, ein spontaner Gedanke, eine schnelle Eingebung. Ich wollte mich mit demselben Blut besudeln, mit dem Felix sich besudelt hatte. Ich musste ihm zeigen, dass ich auf immer und ewig, auf Treu und Verderben zu ihm stehe, deshalb habe ich Murnier das Messer in den Rücken gestochen.«
Wie krank was das denn? Es kam mir ein bisschen wirr vor, was sie sagte, aber merkwürdigerweise störte es mich nicht. Ich war seltsam gelöst, fast ein bisschen bedudelt, der Wein so herrlich schwer. Ich trank das Glas aus, füllte mir selbst nach.
»Aber«, sagte ich nach einiger Zeit und hatte den Eindruck, in Zeitlupe zu reden. »Felix hat den Druck nicht ausgehalten. Er war ein Nervenbündel, ein Weichei, hat keinen Ausweg mehr gesehen, als er gemerkt hat, dass man ihm auf die Spur gekommen war.«
»Wieso hat die dumme Gerti nicht den Mund gehalten?« Sophies Stimme kam aus weiter Ferne, auch sie sprach merkwürdig langsam. »Und dann noch du mit diesem verräterischen Foto und deiner Neugier. Ohne dich hätte ich ihn da rausgehauen. Ohne dich hätte er sich nicht umgebracht.«
Jetzt also doch Selbstmord. Aber nicht so, wie ich es mir ausgemalt hatte, irgendwie anders, dachte ich im Schneckentempo. Ich griff nach meinem Glas. Es dauerte ewig, bis ich es zum Mund geführt, getrunken und wieder abgestellt hatte.
»Er sollte kein Mörder und kein Selbstmörder sein. Für niemanden«, nuschelte Sophie träge. »Wenn ich eine Stunde früher aus Allerheiligen zurückgekommen wäre, hätte ich ihn vielleicht noch retten können, aber so war er schon tot. Deshalb habe ich ihn ins Auto gepackt und in den Bach gelegt. Ganz vorsichtig und liebevoll ins kalte Nass, zu seinem Besten. Tausendmal habe ich ihn geküsst ⦠Dann habe ich ihn in allen Wirtschaften im Dorf gesucht. Falsche Fährten legen, du verstehst?«
»Liebe«, nuschelte ich. »Du hast es aus Liebe getan!«
»Natürlich«, bestätigte sie, und für einen winzigen Moment klang ihre Stimme ganz klar und erlöst, fast ein bisschen himmlisch. »Deshalb habe ich auch gewusst, dass du nicht aufhören wirst, Lucs Unschuld beweisen zu wollen. Zwei liebende Frauen, das sind wir â¦Â«
»Du hast Luc angeschwärzt! Du wusstest, dass ich ihn mit auf mein Zimmer genommen habe. Du wusstest, dass man dir eher glauben würde als mir. Du hast einen Unschuldigen ins Gefängnis geschickt.«
»Das habe ich aus Liebe getan. In der Liebe ist alles erlaubt! Liebe ist die gröÃte Macht von allen. Sie ist stärker als der Tod. Deshalb gehe ich jetzt zu meinem Felix.«
»Quatsch«, presste ich mühsam heraus und legte meinen Kopf auf den Tisch. »Liebe gibt es nur für die Lebenden.«
Mit Mühe hielt ich die Augen auf und sah Sophie langsam aufstehen und um den Tisch schlurfen. DrauÃen prasselte der Regen jetzt ganz friedlich aufs Dach. Alles war friedlich. Abendstille überall â¦
Das Handy klingelte wieder, es störte mich nicht, ich lieà es klingeln. Alles, alles musste man einfach nur geschehen lassen. Etwas gluckerte, ich roch das Benzin. Sophie kniete am Boden, ich sah nur ihren Rücken, es war mir egal. Ein Streichholz ratschte, flammte kurz auf, verlöschte wieder.
»Der Feuerâ¦teufel.« Es kostete sie viel Zeit und Mühe, die Worte aus sich herauszuholen. »Er ⦠wird ⦠uns ⦠jetzt ⦠holen â¦Â«
Du musst nach drauÃen, sagte eine Stimme zu mir, aber ich konnte nicht aufstehen. Dann mach die Bodenklappe auf und kriech in den Tunnel!, befahl die Stimme, aber ich konnte immer noch nicht aufstehen.
Ratsch, machte das Streichholz und verlöschte. Ratsch ⦠ratsch ⦠ratsch â¦
»Verdammt«, schimpfte Sophie, aber das war mir egal.
Ich war müde, ich wollte schlafen, nur noch schlafen. Ich schloss die Augen, versank tief im Reich der Träume, und in meiner Traumwelt versammelten sich alle meine Männer und all die Katharinas, die ich je gewesen war. Wir alle tanzten auf dem Vulkan, immer wieder stoben wir nach einem Feuerstoà auseinander, in einer schnellen Bildfolge verwischten sich die
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