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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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überbordenden Teig, holte sich derweil ein Kochmesser aus der Schublade und begann, die geschälten Kartoffeln in Scheiben zu schneiden. Ich knetete den Hefeteig noch einmal durch und rollte einen Teil davon für die ersten drei Bleche aus. Martha unterbrach ihr Schneiden, griff sich die Schüssel mit dem »Deigl«, bestrich den Hefeteig, ich verteilte die Zwiebeln und den Speck obendrauf und würzte leicht mit Salz – wegen des Specks – und kräftig mit Pfeffer und Kümmel.
    Â»Hast du noch neuen Kümmel?«, fragte ich, als ich die Bleche in den Ofen schob. Die Kümmelreste aus der Gewürzschublade hatte ich für die ersten drei Kuchen aufgebraucht.
    Â»Ganz hinten in der Vorratskammer steht eine Kiste mit Gewürzen.«
    Martha schob die letzten geschnittenen Kartoffeln in die Schüssel und holte sich dann von meinem Arbeitsplatz einige Zwiebeln, während ich mir die Hände abwischte und in die Vorratskammer eilte. Auf Anhieb fand ich die Gewürzkiste nicht. Ich schob Dosen zur Seite, pustete Staub von Nudelpackungen und entdeckte hinten an der Wand zwischen zwei großen, leeren Gurkengläsern etwas anderes: die grüne Vase für Gertis Blumen. Ich nahm sie mit in die Küche, genau wie den Kümmel, den ich doch noch gefunden hatte.
    Â»Guck mal, Mama!«
    Sie sah vom Zwiebelschneiden auf, ihr liefen die Tränen. Das Messer in der Hand, wischte sie sich über die Augen. Ich stellte die Vase neben sie auf die Arbeitsfläche. Sie legte das Messer weg, holte sich aus der Spüle einen Lappen und entfernte mit einer zärtlichen Behutsamkeit die Staubschicht von der Vase.
    Â»Soll ich die Sonnenblumen da reinstellen?«, fragte ich.
    Â»Stell sie zurück«, befahl sie. »Die Gerti ist nicht mehr.«
    Ich tat wie geheißen, und als ich zurückkam, schnitt Martha weiter Zwiebeln und weinte jetzt wie ein Schlosshund. Ich tapste auf Zehenspitzen auf sie zu, stellte mich hinter sie und hätte sie zu gerne in den Arm genommen, traute mich aber nicht.
    Â»Mama«, flüsterte ich stattdessen. »Friss nicht alles in dich hinein, Reden hilft.«
    Sie hörte auf zu schneiden, rückte den Kopf nach oben, drehte ihn mir zu und zeigte mir ihr Gesicht: nass geheult, voller Altersflecken, von den Jahren zerklüftet, die Knochen verbraucht, in den grauen Augen nur noch ein Rest von Glut.
    Â»Reden hilft«, höhnte sie mit Zorn in der Stimme. »Blödsinn! Nur Schweigen ist Gold. Wenn die Gerti …« Sie brach mitten im Satz ab. »Die Zwiebelkuchen«, sagte sie dann. »Wir müssen uns beeilen.«
    Mehr redeten wir an diesem Nachmittag nicht miteinander. Aber ich ahnte jetzt, dass sie etwas wirklich Schwerwiegendes unter Verschluss hielt.
    Es war kurz vor sieben, als ich die letzten drei Zwiebelkuchen aus dem Backofen zog. Während Edgar mir wenig später die warmen Bleche im Kofferraum stapelte, zog ich mich in den Schatten der Linde zurück und wählte Lucs Nummer. Diesmal sprang sofort die Mailbox an und bat auf Französisch, eine Nachricht zu hinterlassen.
    Â»Wo steckst du? Ich mach mir Sorgen. Ruf zurück!«, hinterließ ich auf Deutsch und fragte mich, ob Luc die Mailbox mit Absicht laufen ließ, weil er mich, wie er es nannte, nicht in die Sache hineinziehen wollte. Würde ich an seiner Stelle nicht genauso handeln? Wer neigte nicht dazu, unangenehme Dinge im Stillen zu regeln? Wer zeigte sich schon gern von seiner Schattenseite? Wenn er also das, was er unbedingt alleine regeln wollte, auch geregelt bekam, wunderbar.
    Aber leider gab es eine andere Möglichkeit, warum nur die Mailbox ansprang: Luc konnte nicht mit mir reden, weil ihn die Gendarmerie in Schlettstadt immer noch in der Mangel hatte. Ich wollte nicht darüber nachdenken, was das bedeutete. Ich musste abwarten, bis Luc sich meldete. Und ich hasse Abwarten.
    Â»Du kannst«, rief mein Vater und klappte die Kofferraumtür zu.
    Ich steckte das Handy weg, klemmte mich hinters Steuer und startete den Wagen. Mit dem Duft von Zwiebeln und Kümmel in der Nase fuhr ich über die L 87 ins Achertal hinein. Die Sonne in meinem Rücken tauchte die Weinberge von Oberachern und Kappelrodeck in ein goldenes Licht und malte, als die Weinberge verschwanden und das Tal enger wurde, lange Waldschatten auf die grünen Wiesen. Hinter Ottenhöfen nahm ich die schmale Straße, die hinauf nach Allerheiligen führte.
    Als Kind

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