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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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Hühnerbrühe, und in einem anderen hatte Martha Kartoffeln aufgestellt. Sie schnippelte vor dem Fenster zum Schulhof Suppengemüse klein und wandte mir den Rücken zu. Immerhin arbeitete sie wieder.
    Â»Die sind für dich«, sagte ich und hielt ihr, als sie sich erschreckt umdrehte, den Strauß Sonnenblumen entgegen.
    Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und sah mich und die Blumen eher misstrauisch als erfreut an.
    Â»Hast du die grüne Vase noch, in die du immer Gertis Blumen gestellt hast?«, fragte ich, immer noch mit den Blumen in der Hand.
    Â»Wie kommst du jetzt auf die Vase?«
    Immerhin nahm sie mir die Blumen jetzt ab, legte sie neben ihr Brett auf die Arbeitsfläche und machte sich dann auf den Weg zur Vorratskammer. Ich rief ihr nach, wie ich auf Gertis Vase gekommen war. Sie kehrte mit einem leeren Gurkenglas zurück.
    Â»Die Vase gibt es nicht mehr«, antwortete sie, als sie Wasser in das Glas laufen ließ.
    Â»Man soll sie erst ein paar Minuten in kochendes Wasser und danach in kaltes stellen. Dann halten sie länger«, sagte ich und brachte, um sie irgendwie zum Reden zu bringen, das Gespräch auf Gertis Tod. »Das war bestimmt schwer für dich.«
    Â»Ja«, beschied mich Martha knapp, schüttete das Wasser aus, schöpfte stattdessen etwas von der heißen Kartoffelbrühe ins Glas und steckte die Sonnenblumen hinein. »Die Guten gehen immer zu früh.«
    Ihr Standardsatz bei Todesfällen.
    Â»War sie schon länger krank?«, erkundigte ich mich.
    Â»Das Herz. Bei den meisten wird es immer härter, bei ihr ist es immer wunder geworden.« Sie starrte in die trübe Kartoffelbrühe und das dampfende Glas. »Reicht es jetzt?«
    Â»Denk schon«, meinte ich. Dann atmete ich dreimal tief durch, bevor ich fragte: »Geht es dir wieder besser, Mama?«
    Â»Was ihr alle für ein G’schiss macht, nur weil ich mal ein bissel allein sein hab müssen!« Sie riss die Sonnenblumen aus dem Glas, schüttete die Brühe weg und ließ kaltes Wasser in die Vase laufen. »Ich werd auch älter. Darf man da nicht ein bissel wunderlich werden?«
    Ich konnte nicht glauben, mit was sie sich da herausreden wollte. Ausgerechnet mit dem Alter! Martha sah nicht aus wie Anfang siebzig. Sie besaß eine Rossnatur. Wenn sie irgendwas plagte, dann gurgelte sie mit Salzwasser oder trank einen »Borbler«, einen Topinambur-Schnaps, das badische Allheilmittel. Medikamente hatte sie ihr Leben lang nie genommen.
    Â»Wunderlich! Wenn einer nicht wunderlich ist, dann du. In Scherwiller muss mit dir was passiert sein. Was ist mit Emile Murnier? Warum bist du nicht selbst an den Bach gelaufen?«
    Falsch! Ich wusste es in dem Moment, in dem ich den Satz ausgesprochen hatte. Bei Martha durfte man nie mit der Tür ins Haus fallen.
    Sie ließ das Gurkenglas so hart auf die Arbeitsfläche krachen, dass das Wasser oben herausspritzte, und ihre Augen funkelten vor lauter unausgesprochenen Drohungen.
    Ich wusste, dass ich mich auf explosivem Terrain bewegte, aber ich konnte nicht anders, ich redete einfach weiter. »Hast du gesehen, wer Murnier in den Bach geschleppt hat? Verhältst du dich deshalb so komisch? Du verheimlichst etwas, dich drückt eine schwere Last.«
    Â»Und ob mich eine schwere Last drückt!«, polterte Martha jetzt los. »Mehr als eine, oh ja. Hat’s dich je interessiert? Nein! Jetzt interessiert’s dich nur, weil du dem jungen Murnier hinterherrennst! Was mich drückt und zwickt, war dir doch immer egal. Immer hast du ein eigenes Süpple kochen müssen! Nicht einmal hast du ernsthaft überlegt, die Linde doch zu übernehmen. Nicht einmal …« Sie packte die Sonnenblumen bei den Stängeln und steckte sie wütend ins Gurkenglas. Erneut schwappte das Wasser über.
    Mit noch mehr Immer- und Jedes-Mal-Sätzen schoben wir uns, stetig lauter werdend, gegenseitig den Schwarzen Peter zu, immer nach dem alten Haudrauf-Muster. Wir besaßen jahrelange Übung im Salz-in-die-Wunden-Streuen, im Kinnhaken-Verteilen, im Auf-die-Zehen-Treten, im Porzellan-Zerschlagen, und wir hätten wahrscheinlich noch eine ganze Weile damit weitergemacht, wenn Edgar nicht das Telefon durch die Durchreiche gesteckt und gesagt hätte: »Martha, der Carlo. Will wissen, ob er den Zwiebelkuchen jetzt abholen kann.«
    Martha stockte in ihrer Wutattacke, packte mit Schmackes das

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