Bibbeleskaes
her. Ob er noch Skateboard fuhr?
Wir räumten gemeinsam die Zwiebelkuchen in die Küche, Carlo lud mich ein, zu bleiben, mir das Stück anzusehen, nachher ein Glas mit ihm zu trinken, aber ich lehnte ab. Ich wollte mit Antoinette telefonieren, vielleicht doch endlich Luc erreichen, vielleicht noch ins Elsass fahren. Ansonsten nachdenken, und wenn das zu keinem Ergebnis führte, wenigstens ausschlafen.
Ich fuhr langsam in Richtung Parkplatz, vorbei an einer Prozession von Menschen, viele mit Pullovern über den Schultern oder unter den Arm geklemmten Decken. Hier oben auf sechshundert Metern Höhe wurde es abends empfindlich kühl. Da machte es Sinn, sich einzumummeln, wenn man sich im Freien ein Theaterstück ansehen wollte. Ein kurzes, knackiges Lachen drang durch das geöffnete Fenster an mein Ohr, und ich entdeckte inmitten der Prozession Sophie. Den Arm bei Felix untergehakt, ins Gespräch mit dem Nachbarn auf der anderen Seite vertieft, lachte sie wieder so unverkennbar. Selbst wenn sie es im Dunkeln täte, würde ich sie daran erkennen.
Felix, Gerti, dachte ich, stellte den Wagen auf dem Parkplatz ab und entschied zu bleiben.
Ich lief zurück. Vor dem improvisierten Kartenhäuschen unter dem übrig gebliebenen Torbogen der zerstörten Klosterkirche staute sich eine Warteschlange. Die, die nicht warten wollten oder Durst hatten, strömten in den Biergarten des Gasthofes, darunter auch Sophie und Felix, die gerade den letzten freien Tisch ergatterten.
Ich winkte Sophie zu, sie lud mich sofort ein, bei ihnen Platz zu nehmen, und orderte bei der Bedienung eine Flasche Oberkircher Riesling.
»Was macht man nicht so alles im Wahlkampf«, stöhnte sie. »Aber Käshammer ist ein Parteifreund, und zumindest einmal muss ich ihn in seiner Paraderolle sehen. Ich habe übrigens noch eine Karte. Bist herzlich eingeladen.«
Sie sprang auf, es galt, weitere Bekannte zu begrüÃen, hier drei Küsschen zu tauschen, dort ein paar Hände zu schütteln, Käshammer, schon in Richterrobe, dreimal über die Schulter zu spucken, zwei Frauen miteinander bekannt zu machen, einem alten Mann auf die Schulter zu klopfen und so weiter.
Felix blieb am Tisch sitzen, nickte dem einen oder anderen von Sophies Bekannten zu oder hob kurz sein Glas zum GruÃ, aber nur mir schenkte er seinen berühmten Hundeblick.
»Sie kann es wirklich gut mit den Leuten«, sagte ich. »Aber du wärst wahrscheinlich froh, du hättest sie mal wieder für dich allein.«
»Sie geht so in ihrer Arbeit auf, hat so tolle Ideen und so viel Energie. Schad, dass ich ihr dabei so wenig helfen kann. Ich wünsch ihr wirklich, dass sie am Sonntag gewinnt, freu mich aber auch, wenn dann der ganze Wahlkampfzirkus vorbei ist.«
Wahrscheinlich sein Standardspruch als braver Ehemann. Warum sollte er mir etwas anderes erzählen? Nur weil er mir als Kind mal das Auge der heiligen Katharina aus dem Knie gezogen hatte?
»Wann fährst du zurück nach Köln?«, fragte er, unverbindlich, freundlich, und zündete sich eine Roth-Händle an.
Ich bemerkte, dass er dafür ein Zündholzbriefchen des Queenâs Pub benutzte. »Ich weià es noch nicht genau«, antwortete ich und deutete auf die Zündhölzer. »Bist du noch oft bei Joe?«
»Schon. Da darfst du wenigstens noch rauchen. Aber wenn er seine Heavy-Metal-Musik auflegt, dann flieh ich.«
Wenn er, wie jetzt, schelmisch lächelte, blitzte kurz das Strahlen wieder auf, mit dem er als Kind gesegnet gewesen war. Er hielt mir die Packung Zigaretten hin, ich lehnte dankend ab. Geraucht hatte ich nur in meiner kurzen Rockerphase.
»Warst du zufällig am Montagabend dort?«
Er schüttelte den Kopf, fragte: »Wieso?«
Ich erzählte ihm vom Besuch der Hellsass Devils und von dem, was Joe über sie berichtet hatte. Felix schüttelte verwirrt den Kopf, meinte, der Fall sei doch aufgeklärt, da die Polizei den Polen verhaftet habe. Erst in dem Moment wurde mir klar, dass ich, dank FK , eine der wenigen war, die bereits wussten, dass Sajdowski nicht Murniers Mörder war. FK hatte mich nicht zur Geheimhaltung verdonnert, und morgen würde es sowieso in der Zeitung stehen, deshalb sah ich keinen Grund, es Felix nicht zu erzählen. Danach wirkte er noch verwirrter und sagte gar nichts mehr.
»WeiÃt du, was ich mich frage«, machte ich weiter. »Warum hat der Mörder die
Weitere Kostenlose Bücher