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Bibel der Toten

Bibel der Toten

Titel: Bibel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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des Sisovath Boulevard. In Kürze würden sie die Bank in die Luft jagen.
    Ein lautes Knattern riss ihn in die Realität zurück. Die Plane wurde zurückgezogen. Jake blickte in die Augen des Fahrers.
    »Anlong Veng.«
    Der Mann gestikulierte. Aussteigen .
    Behutsam seine Muskeln massierend, stieg Jake vom Pick-up und machte ein paar vorsichtige Schritte. Inzwischen war die Sonne nicht mehr so heiß. Sie befanden sich auf dem staubigen Dorfplatz eines armseligen kleinen Kaffs, auf dem eine Gruppe Jugendlicher mitten auf der Straße Volleyball spielte.
    Chemda war bereits dabei, den Fahrer zu bezahlen; gleichzeitig redete sie mit einem anderen, jüngeren Mann in einem verblichenen roten Klang-Beer-T-Shirt.
    Dann wandte sie sich Jake zu. »Hier können wir uns ein wenig ausruhen.« Sie deutete zuerst in eine schattige Gasse, die bergan führte, dann auf den jungen Mann. »Das ist Rittisak. Er wird uns helfen.«
    »Aber …« Jake blickte sich um. Ein paar Meter weiter schaute eine Gruppe von Männern, die vor einer Holzhütte Palmwein tranken, neugierig zu der verdreckten Khmer-Prinzessin und dem abgerissenen, schwitzenden Weißen. »Ist es hier denn einigermaßen sicher?«
    »Das ist Anlong Veng. Hier haben wir nichts zu befürchten. Die thailändische Grenze ist auf den Hügeln dort oben, der Grenzübergang Chong Sa im Dongrek-Gebirge. Dieses Gebiet hier war die letzte Bastion der Roten Khmer. Bis 1998.«
    »Aha.«
    »Die Einheimischen haben die Roten Khmer so gehasst, dass sie immer noch alles hassen, was in irgendeiner Weise einen offiziellen Eindruck macht: Polizei, Zoll … allein die Tatsache, dass wir von der Polizei gesucht werden, macht sie bereits zu unseren Verbündeten. Deshalb haben wir hier nichts zu befürchten – jedenfalls ein paar Stunden lang nicht, aber dann …« Sie sah Jake in die Augen. »Dann müssen wir weiter. Wie du gesagt hast. Wir müssen nach Thailand.«
    Ihr neuer Freund, Rittisak, winkte sie mit nach unten gedrehter Handfläche zu sich und führte sie durch ein schattiges Wäldchen, an ausgebrannten sowjetischen Panzern vorbei, zu einem großen Betonbau.
    »Hier rein«, sagte Chemda und folgte Rittisak durch die Eingangstür und eine Treppe hinauf.
    In dem unbewohnten, vollkommen leeren Haus war es von der Tageshitze immer noch drückend heiß. Die Wände der Zimmer waren mit dilettantischen Darstellungen von Angkor Wat in einem idealisierten Dschungelambiente bemalt; Disneyäugige Rehe ästen an unwirklich glitzernden Seen, in deren saphirblauem Wasser Elefanten badeten, und die am Ufer herumtollenden Affen wirkten so übertrieben gut gelaunt, als wären sie auf Drogen.
    Das Groteske an diesem seltsamen Haus war jedoch der Blick. Der Bau war auf drei Seiten von einer riesigen Wasserfläche umgeben, die in der untergehenden Sonne rot und gelb schimmerte und aus der, schwarz, desolat und hässlich wie verkohlte Arme und Finger, Tausende abgestorbener Bäume ragten. Der überflutete Bäumefriedhof, von dem ein leichter Modergeruch aufstieg, erstreckte sich über mehrere Kilometer bis zu einer schroff ansteigenden Hügelkette, fast so, als wäre ein Schlachtfeld aus dem Ersten Weltkrieg – an der Somme oder in Ypern oder Passendale – unerfindlicherweise überflutet und unter die tropische Sonne verpflanzt worden.
    »Wo sind wir denn hier gelandet?«
    Rittisak forderte sie auf, sich zu setzen. Das taten sie. Jake fragte noch einmal, was es mit diesem seltsamen See auf sich hatte.
    Chemda erklärte es ihm, während die Sonne hinter dem Dongrek-Gebirge unterging.
    »Das hier war Ta Moks Haus.«
    »War das nicht einer aus der Roten-Khmer-Führung?«
    Chemda nickte und rieb sich an ihrem Hemd den Schmutz von den Händen.
    »Fürchterlich, wie ich aussehe. Total verdreckt. Ja, Ta Mok, der Schlächter. Pol Pots Freund – der einzige Mensch, der noch skrupelloser und brutaler war als Pol Pot selbst.«
    »Und dieser … eigenartige Friedhof da draußen, der See?«
    »Man nennt ihn Schlächter-See. Weil ihn Ta Mok angelegt hat. In den letzten Jahren der Herrschaft der Roten Khmer, als sie sich nur noch in diesem Teil Kambodschas an der Macht halten konnten, ließ Ta Mok von den Bauern der Gegend einen Fluss aufstauen, damit sich ein riesiger künstlicher See bildete. Aber irgendwie ging das Ganze nach hinten los; das Wasser brachte nur die Bäume zum Absterben, es brachte alles zum Absterben.«
    »Warum?«
    »Es heißt, dass er den See nur angelegt hat, um die vielen Leichen verschwinden zu

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