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Bibel der Toten

Bibel der Toten

Titel: Bibel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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es innerlich.
    »Und was dann?«
    Jakulowitsch neigte den Kopf. Über sein Gesicht huschte ein wachsamer Ausdruck. »Damit begeben wir uns auf ein Gebiet, das sich sehr detailliert auf meine Arbeit bezieht. Aber sind Sie denn nicht hergekommen, um mit mir über Ghislain zu sprechen?«
    »Oh, doch, natürlich«, stotterte Julia. »Darauf wollte ich gleich kommen.«
    Der alte Russe sah sie forschend an. »Schon eigenartig, finden Sie nicht auch? Erst vor einem Jahr hat mich ein anderer Freund Ghislains aufgesucht.«
    »Wer?«
    »Marcel Barnier.« Jakulowitschs Augen blitzten schelmisch auf. »Ja, ja, ein anderer französischer Experte für Kreuzungsfragen und ein guter Freund Ghislain Quoinelles’! Warten Sie, irgendwo muss ich hier sogar noch Barniers Visitenkarte haben. Er kam uns vor einem Jahr besuchen, um mit uns zu reden. Er war mir von Ghislains Forschungsaufenthalt in China und Kambodscha bekannt.«
    Voller Stolz präsentierte ihr Jakulowitsch mit einer schwungvollen Geste Barniers Visitenkarte. Julia nahm sie an sich und studierte sie. Ihr wurde fast übel, aber sie war fest entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen.
    »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mir seine Kontaktdaten notiere, Mr Jakulowitsch? Es wäre sicher interessant, auch mit Barnier über Ghislain zu sprechen.«
    »Auf jeden Fall. Barnier ist … ein ausgesprochen gescheiter Mann, außergewöhnlich klug, ein alter Hase wie ich, der bestimmt alles daransetzen wird, dass das Beste, was die kommunistische Wissenschaft hervorgebracht hat, nicht zusammen mit ihren weniger positiven Aspekten untergeht.«
    »Doch jetzt zu Ghislain.« Julia fand, dass der Moment gekommen war. »Da wäre vor allem eine Frage, bei der Sie mir vielleicht weiterhelfen können. Ich habe Sie schon in meinen E-Mails angeschnitten, aber Sie wollten sich lieber persönlich mit mir treffen.«
    »Und das tun wir ja jetzt auch. Bitte.«
    »Es geht um das Journal français de l’anthropogenèse . Erinnern Sie sich daran?«
    Der Institutsleiter zuckte stirnrunzelnd mit den Achseln. »Nicht sehr gut. Aber ein wenig. Es war … nur eine … unbedeutende kleine Zeitschrift, Ende der sechziger Jahre, marxistisch-leninistisch orientiert.«
    »Aber Sie waren der Herausgeber!«
    »War ich das? Aha.« Jakulowitschs Lächeln wies immer noch Marmeladespuren auf. »Ja, ich glaube, ich war der Vorzeigesowjet! Da! Ich habe nicht wirklich für sie gearbeitet. Ich saß eigentlich nur im wissenschaftlichen Beirat. Könnte sein, dass ich ein paar Beiträge gelesen habe.«
    Julia spürte neue Hoffnung aufkeimen. Zaghaft.
    »Dann können Sie sich ja vielleicht noch an einen speziellen Artikel von Ghislain Quoinelles erinnern – ein Beitrag, den Sie sogar selbst für eine Veröffentlichung vorgeschlagen und von Peer Reviewern haben begutachten lassen. Ghislain hat ihn in den frühen siebziger Jahren geschrieben, als er noch sehr jung war. Ein Artikel über die Entstehung von Schuldbewusstsein und Gewissen?«
    Ein Zögern. Ein kaum wahrnehmbares Zögern.
    »Was soll ich dazu sagen?« Jakulowitsch seufzte. »Keine Ahnung. Natürlich hätten wir sehr gern einen Beitrag von Ghislain Quoinelles veröffentlicht – schon allein wegen seines Namens. Seines Familiennamens, meine ich.«
    »Wegen seines Großvaters?«
    »Ja, natürlich! Ghislain war der Enkel von Albert Quoinelles, ein wahrer Kampfgenosse! Sowohl ein überzeugter Kommunist als auch ein hervorragender Wissenschaftler, ein Spezialist auf unserem Gebiet. Deshalb ja, wenn Ghislain Quoinelles einen Artikel eingeschickt hätte, hätten wir ihn bestimmt mit großem Interesse gelesen. Das ist auf jeden Fall richtig.« Er zögerte kaum merklich, bevor er fortfuhr: »Aber wenn mich nicht alles täuscht, wurden in dieser Zeitschrift viele Beiträge veröffentlicht. Und … so leid es mir auch tut, an diesen speziellen Artikel kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.«
    »Aber …«
    »Bitte! Nehmen Sie mir das nicht übel! Ich kann mich, wie Ihnen meine Frau sicher gern bestätigen wird, kaum an meinen Hochzeitstag erinnern, geschweige denn an einen vor vierzig Jahren erschienenen Artikel. Überdies habe ich mich mit Ghislain erst viel später, gegen Ende der siebziger Jahre, angefreundet.« Das Lächeln wirkte jetzt überhaupt nicht mehr erfreut. »War es das? War das alles, was Sie mich fragen wollten? War das nicht eine ziemlich weite Reise für so wenige Fragen?«
    Julia überkam ein Gefühl schmerzlichen Scheiterns. Zugleich, und

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