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Bibel der Toten

Bibel der Toten

Titel: Bibel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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paradoxerweise, spürte sie jedoch auch, dass sie etwas auf der Spur war. Ghislains Artikel brachte sie, zumindest vorerst, nicht weiter. Aber was hatte es mit diesem Barnier auf sich? Der Mann auf dem Foto war Marcel Barnier. Warum war er hier gewesen?
    Die Einzelteile des Puzzles schienen weit verstreut zu sein, aber sie waren irgendwo hier, oder zumindest ganz in der Nähe.
    »Mr Jakulowitsch, worüber wollte Barnier mit Ihnen sprechen?«
    »Er wollte wissen, wie weit wir seit den siebziger Jahren mit unseren Forschungen vorangekommen sind. Und wir haben uns darüber unterhalten, was die Chinesen von uns erwarteten, lauter solche Dinge.«
    »Und wie weit sind sie vorangeschritten, Ihre Forschungen?«
    Jakulowitsch zögerte merklich, und das Schweigen zog sich in die Länge. Julia konnte die Affen hören – wie sie draußen in ihren Käfigen mit den Zähnen klapperten. Der alte Mann schaute zu dem dunkler werdenden Fenster und dann wieder zurück zu seiner Besucherin. Sein Mund war geschlossen, seine Lippen schmal. Die Strähnen seines spärlichen grauen Haars hingen ungekämmt von der Seite seines Kopfs. Doch dann zuckte er mit den Achseln, als wollte er sagen: Was soll’s?
    »Das ist ein Punkt, der die Journalisten brennend interessiert. Aber weil dieses Thema so umstritten ist, äußere ich mich normalerweise nie dazu. Aber Sie sind Wissenschaftlerin, Miss Kerrigan, eine Kollegin. Ihnen kann ich vertrauen. Sie haben sich die Mühe gemacht, uns hier aufzusuchen. Bei Ihnen kann ich offener sein, denn wir sitzen im selben Boot! Njet? Wir stehen auf derselben Seite, oder nicht?«
    »Aber sicher, natürlich.«
    »Außerdem sind wir jetzt allein! Das Labor ist bereits geschlossen. Seien wir also offen und ehrlich – transparent, wie es heute so schön heißt –, sprechen wir von Wissenschaftler zu Wissenschaftler!« Er nahm einen Schluck Tee und grinste. »So funktioniert doch Wissenschaft, oder nicht? Ein offener, ungehinderter Austausch von Daten. Und ich muss sagen, ich bin stolz auf das, was wir hier erreicht haben.«
    Julia konnte es kaum erwarten, dass er weitersprach. Sie wollte die Wahrheit wissen, sie spürte, dass sie zum Greifen nah war, wenn auch noch nicht deutlich zu erkennen, so wie eine verschwommene Gestalt hinter einer Milchglasscheibe.
    Jakulowitsch griff nach seinem Teelöffel und begann damit herumzuspielen, als er schließlich damit herausrückte.
    »Mit der Befruchtung menschlicher Frauen hatten wir schließlich mehr Glück.«
    »Glück?«
    »Zuerst verliefen unsere Bemühungen total erfolglos: die künstliche Befruchtung von Menschen mit Primatensperma. Ein totaler Fehlschlag, auf der ganzen Linie. Deshalb haben wir uns natürlich gefragt: Warum diese Misserfolge?, und sind schließlich zu der Überzeugung gelangt, dass es unter anderem an der künstlichen Befruchtung lag, dass ein richtiger Koitus nötig wäre, um lebensfähige Embryonen zu erhalten.«
    Julia setzte sich über ihren inneren Abscheu hinweg und fragte mit einem aufgesetzten Lächeln: »Ein Koitus? Meinen Sie damit richtigen … Sex?«
    »Ja! Geschlechtsverkehr! Bekanntermaßen ist auch beim Menschen die Chance, durch Geschlechtsverkehr ein lebensfähiges Kind zu zeugen, deutlich höher als bei künstlicher Befruchtung. Ohne die genauen Gründe hierfür benennen zu können, steht zumindest so viel fest: Der Geschlechtsverkehr stimuliert die Eileiter, die vaginale Peristaltik ist intensiver, und die zahlreichen komplexen chemischen und anatomischen Prozesse, die durch die sexuelle Vereinigung in Gang gesetzt werden, unterstützen unzweifelhaft die Befruchtung des Eis und die Entstehung eines lebensfähigen Embryos. Und all diese Gründe haben uns veranlasst, gegen das strikte Tabu eines Koitus zwischen Mensch und Affe zu verstoßen und diesen Weg zu beschreiten.«
    So nüchtern sie konnte, fragte Julia: »Und wie muss man sich das genau vorstellen?«
    Jakulowitsch legte den Teelöffel beiseite.
    »Der Vorwurf, wir hätten für diese Versuche Frauen aus Guinea oder einer anderen ehemaligen französischen Kolonie gegen ihren Willen eingesetzt, entbehrt jeder Grundlage. Nein. Wir hatten Freiwillige.«
    »Dafür haben sich Frauen freiwillig zur Verfügung gestellt?«
    »Sie würden sich wundern.« Jakulowitsch lachte ein hohes, pfeifendes Altmännerlachen. »Für diese Frauen stand natürlich fest, dass sie ihre gekreuzten Babys nicht selbst … aufziehen müssten; sie sollten sie nur austragen, bis zur Geburt. Ich habe Briefe

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