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Bibel der Toten

Bibel der Toten

Titel: Bibel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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…«
    »Jesusektomie? Eine Seelenektomie? Eine Dummheitsektomie?« Tyrones Lachen war hämisch. »Nenn es meinetwegen, wie du willst. Aber du hast natürlich recht, genau das machen sie. Und warum schließlich nicht? Wozu soll dieser ganze Mist schon gut sein? Wieso sollten wir diesen überflüssigen Ballast nicht einfach über Bord schmeißen, diese belastenden Ängste vor Geistern und Dämonen und dem Schwarzen Mann, dieses ständige Beten und Büßen und Aufden-Knien-Rutschen. Einfach weg damit. Nichts anderes tun sie hier.«
    Sen trat wieder näher an das Bett heran.
    »Aber wir schneiden den Menschen nicht nur etwas heraus, Jake, wir machen sie neu, wir schaffen sie von Grund auf neu, wir machen sie vollkommen und rein – und anatomisch marxistisch. Mit einem Hirn, das biologisch nicht in der Lage ist, zu glauben. Mit einem Verstand, der gegen jeden Aberglauben immun ist.«
    Eine Weile wurde es vollkommen still im Zimmer, bis Tyrone herausplatzte: »Und weißt du, was das Schönste ist, Mann?«
    Jake schüttelte den Kopf.
    Tyrone beugte sich vor und legte die Hand auf die Fußschelle, mit der Jake an das Bettgestell gekettet war. »
    Du wirst das Resultat mit eigenen Augen sehen. Wir können es dir beweisen. Es funktioniert tatsächlich. Es ist keineswegs der brutale Eingriff, den du vielleicht vermutest, es funktioniert. Es ist ein Wunder. Es macht die Menschen besser, klüger, glücklicher. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie es wirkt. Ich habe bereits einige der erfolgreich Operierten kennengelernt – nur deshalb konnte mich Sen übrigens für die Sache gewinnen.«
    Jake empfand blanken, spontanen Hass auf Tyrone, auf Sen und ihre schulterklopfende Kumpanei. Klar. Deshalb war er am Bett festgekettet. Für den Fall, dass er mörderisch wütend wurde.
    Jake schrie Sovirom Sen an: »Sie haben es bei Chemda gemacht. Es hat Sie immer schon gestört, dass sie so abergläubisch war. Das war ein Zug an ihr, den Sie nicht mochten. Sie haben es selbst gesagt …« Am liebsten hätte er den lächelnden alten Mann erwürgt. »Sie haben es ihr also herausgeschnitten? Sie haben es bei Chemda gemacht! Bei Ihrer eigenen Enkeltochter!«
    Tyrone wandte sich Sen zu, der beschwichtigend die Hand hob und sagte:
    »Natürlich haben wir den Eingriff an ihr vorgenommen. Warum auch nicht? Chemda ist jemand, den Sie lieben, jemand, der Ihnen sehr viel bedeutet. Das heißt, Sie werden die … Verwandlung selbst sehen können.«

43
    Z iehen Sie sich bitte an. Es ist so weit. Sie dürfen Chemda jetzt sehen. Aber dazu müssen wir nach draußen gehen, und dort ist es ziemlich kalt. Nehmen Sie also den Mantel hier mit.«
    Sen reichte ihm einen Mantel.
    Zwei Chinesen in einer Art Uniform kamen ins Zimmer, Wachmänner mit ausdruckslosen, unergründlichen Mienen. Sie nahmen Jake die Fußschellen ab. Er schwang die Beine vom Bett und stand auf. Er wartete auf das Einsetzen eines Schwächeanfalls, aber er spürte nichts dergleichen. Nichts? Nichts. Er fühlte sich gut. Vollkommen normal. Aber beklommen.
    Was hatten sie mit Chemda gemacht?
    Am liebsten hätte er sich Sen und Tyrone auf der Stelle vorgeknöpft – aber die stummen Wachen waren bewaffnet.
    Seine Kleider lagen ordentlich gefaltet auf einem Tisch: saubere Jeans, ein frisch gebügeltes blau gestreiftes Hemd, geputzte Stiefel.
    Nachdem er sich angezogen und den Mantel übergestreift hatte, folgte er Tyrone und Sen, von Wachen flankiert, auf einen Flur hinaus, von dessen Ende ihm ein Rechteck aus silbrigem, blendend hellem Licht entgegenstrahlte. Eine Glastür.
    Jake stieß sie auf und trat auf eine sonnenbeschienene Terrasse hinaus. An einem für mehrere Personen gedeckten Tisch saß ein Mann, den Jake von einem Foto kannte, das Julia ihm einmal gezeigt hatte. Colin Fishwick, allerdings ein deutlich gealterter Colin Fishwick. Das Lächeln von Phnom Penh war der tieftraurigen Miene von Balagezong gewichen.
    Balagezong.
    Jake blickte über den Tisch und die Terrasse auf Balagezong.
    Die Laborbauten befanden sich auf einem weitflächigen Inselberg. Sie waren von einer kleinen Ansiedlung tibetischer Häuser umringt, die wiederum von Rübenfeldern und Yakkoppeln umgeben waren. Von dem kleinen Dorf führte ein Weg zu einem Felsvorsprung mit einem von Gebetsfahnen umflatterten weißen Stupa darauf.
    Der blaue Himmel lächelte hinter einem dünnen Dunstschleier hervor wie buddhistische Malereien hinter sanft gekräuselten Seidenthangkas.
    Ein leises Geräusch. Jake drehte sich

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