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Bibel der Toten

Bibel der Toten

Titel: Bibel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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der unseligen Vergangenheit des Landes zu beschäftigen. Aber es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb sie Chemda loswerden wollten.«
    Die Wahrheit begann Jake zu dämmern wie ein unheilvoller Mond am Horizont. »
    Und dieser Grund ist?«, fragte er. »
    Du weißt doch von diesen kommunistischen Wissenschaftlern aus dem Westen, die einer nach dem anderen ermordet wurden. Lauter Leute, die bei den Experimenten geholfen haben, die damals in Phnom Penh durchgeführt wurden und jetzt hier fortgesetzt werden. Sen wusste, dass ihm das irgendwann zum Verhängnis werden könnte, und hoffte in seiner Verzweiflung, dass du Chemda nach England oder Amerika mitnehmen würdest. Sie liebt dich, Jake. Dir würde sie überallhin folgen. Du warst gewissermaßen Sens letzte Hoffnung. Und dann, sozusagen als letzten Anreiz für dich, endlich das Land zu verlassen, ließ Sen diesen Brandanschlag auf deine Wohnung verüben …«
    »Sen? Dahinter hat er gesteckt? Wie hat er sich das vorgestellt? Wie hätte mich das umstimmen sollen?«
    »Anscheinend bist du an dem Tag, als du in der Villa der Soviroms warst, zu früh nach Hause zurückgekommen. Du hättest nicht mitbekommen sollen, wie die Molotowcocktails in deine Wohnung geworfen wurden. Eigentlich sah ihr Plan so aus: Du willigst in die Heirat mit Chemda ein, kommst in deine ausgebrannte Wohnung zurück und begreifst, dass dein Leben in Gefahr ist. Du heiratest brav Chemda und bringst sie weit fort von hier, fort von den Gefahren und vor allem fort von der schrecklichen Wahrheit. Und Papa-san kann sich in aller Ruhe des drohenden Problems annehmen. Aber sein Plan ging nicht auf. Denn du hast nicht mitgespielt und bist sogar abgehauen, und jetzt wurde Sen richtig sauer und beschloss, zu rabiateren Mitteln zu greifen. In Anlong Veng. Dich zu töten und Chemda festnehmen zu lassen. Er fand, du wüsstest bereits zu viel. Aber dann habe ich dich rausgehauen.«
    »Und was machst du jetzt, Ty? Damals hast du mich gerettet. Aber was machst du jetzt? Wir müssen Chem befreien, sie von hier wegbringen, weg von Sen …«
    Tyrone seufzte.»
    Dazu komme ich gleich. Du bist mein Freund, Jake, wirklich. In Anlong Veng habe ich dich tatsächlich gerettet. Ich war auf deiner Seite, Mann, aber dann, vor zwei Wochen …«
    Er hielt inne.
    »Weißt du was? Statt hier lange rumzuquatschen, sollte ich es dir vielleicht ganz konkret veranschaulichen.« Er ging zur Tür, öffnete sie und winkte jemandem, der dahinter stand.
    Sovirom Sen kam ins Zimmer; das Lächeln, mit dem er Jake ansah, lag irgendwo zwischen noblem Mitgefühl und purer Herablassung. Das Lächeln, mit dem er Tyrone bedachte, war vollkommen neutral.

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    T yrone nickte Sen kurz zu und wandte sich dann wieder Jake zu.
    »Vor zwei Wochen hat mich Sen in Phnom Penh aufgesucht und mir die ganze Geschichte erzählt. Bei dieser Gelegenheit hat er mir klargemacht, dass es eine Lösung für die Probleme aller Beteiligten gibt.«
    Jetzt verstand Jake überhaupt nichts mehr. Sens gelassenes Lächeln erfüllte ihn mit wachsendem Entsetzen, und er stieß stammelnd hervor:
    »Nein … das darf … nein.«
    Tyrone schnalzte mit der Zunge. »Jetzt komm schon. Stell dich nicht so an. Du kennst nur ein ganz entscheidendes Detail nicht. Wobei mich wundert, dass du dir diese Frage nicht schon längst selbst gestellt hast. Der entscheidende Punkt bei der ganzen Geschichte ist doch … Rate einfach mal. Los, versuch selbst drauf zu kommen.«
    »Was? Was ist der entscheidende Punkt?« Jake entging nicht, wie flehentlich sich seine Stimme anhörte. Aber es war ihm egal. Er musste es einfach wissen. »Tyrone, sag es mir einfach.«
    »Okay.« Der Amerikaner verschränkte lächelnd die Arme und lehnte sich seitlich gegen die nackte weiße Wand.
    »Die Experimente waren Sens Idee; es war sein Projekt. Er hat alles geplant und durchgeführt. Zusammen mit ein paar anderen Leuten, in den siebziger Jahren.«
    An dieser Stelle ergriff Chemdas Großvater das Wort. Seine maßgefertigten Schuhe wirkten deplatziert in der kargen Zweckmäßigkeit des Zimmers.
    »Natürlich stand ich hinter allem. Aber das Ganze geht noch viel, viel weiter, als Sie auch nur ahnen können, Jacob. Und das ist der Grund, weshalb ich Tyrone für unser … Komplott zu gewinnen versucht habe. Es ist wirklich eine außergewöhnliche Story, und Tyrone lebt für nichts anderes, als außergewöhnliche Storys zu schreiben. Und so ist es mir gelungen, Mr McKenna umzustimmen: Ich habe ihm die Story

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