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Bibel der Toten

Bibel der Toten

Titel: Bibel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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der Mitte des 19. Jahrhunderts ein bekannter Altertumsforscher gewesen. Pierre-Barthélémy Prunières stammte aus Marvejols und hatte im Departement Lozère umfangreiche Forschungen betrieben. Der schon seit langem in Vergessenheit geratene Wissenschaftler war laut der Website vor allem für seine Forschungen auf dem Gebiet der Osteoarchäologie bekannt gewesen: für die Untersuchung der Schädel und Skelette, die er in den Höhlen und Dolmen seiner Heimatregion, zum Beispiel in den Baumes-chaudes im Tarn, ausgegraben hatte. Oder in der Nähe von Saint-Pierre-des-Tripiers, in der »grotte de l’homme mort« .
    Die Höhle des toten Manns?
    Sie schrieb den Namen auf einen Block, kreiste ihn ein, starrte nachdenklich darauf. Trotz aller Bildhaftigkeit sagte ihr der Name zunächst einmal nichts. Sie kreiste ihn noch einmal ein, dann wandte sie sich wieder ihrem Computer zu. Und dann verschafften ihr die nächsten zehn Minuten im Internet einen echten Kitzel, eine sehr reale Gänsehaut, die einherging mit einer beängstigenden Erkenntnis.
    Das Wort flimmerte ihr vom Bildschirm entgegen: trépanation .
    Trepanation.
    Julias Gedanken überschlugen sich. Anscheinend hatte dieser Prunières genau die gleiche Art von Überresten entdeckt wie sie. Einhundertfünfzig Jahre vor ihr.
    Trepanierte Schädel . Grauenhaft verletzt, absichtlich aufgebohrt.
    Julia schob ihren Stuhl zurück und stellte sich an das regengesprenkelte Fenster. Die grauen Schieferdächer von Mende wurden von den dunklen Hügeln hinter der Stadt eingerahmt: der Causse Méjean und die Cham des Bondons. Und die wilde, verlassene Margeride.
    Das Wort hallte in ihrem Kopf nach.
    Trépanation.

13
    E ine irre Story«, sagte Tyrone. »Einfach unglaublich.« »Na ja, vielleicht.«
    »Nein, wirklich.« Tyrone hob seine Bierflasche. »Mann, du bist eindeutig auf dem richtigen Weg. Wenn du das durchziehst, kannst du dir echt einen Namen machen.«
    Sie tranken in der obersten Etage des FCC, des Foreign Correspondents’ Club, in Phnom Penh. Das oberste Geschoss öffnete sich auf eine Terrasse hoch über dem Tonle-Sap-Fluss, der träge den fetten, empfindlichen Mond reflektierte. Die lärmende, hell erleuchtete Uferpromenade unter ihnen wimmelte von Motorrädern, Fahrradrikschas und Taxis; Schneckenverkäufer bimmelten, Touristen flanierten umher, und unbeschäftigte Tuk-Tuk-Fahrer tranken laut palavernd ranzigen Palmwein.
    Jake war erst seit drei Stunden wieder im Chaos der Großstadt zurück. Es war nur vierundzwanzig Stunden her, dass sie die Grenze zu Thailand überquert hatten. Nach einem zweistündigen Fußmarsch hatten sie ein Dorf erreicht, in dem sie sich eine Fahrradrikscha zum nächsten Taxisammelpunkt nahmen. Das brachte sie nach Chiang Rai, wo sie sich in den ersten Flieger nach Phnom Penh gesetzt hatten.
    Er blickte sich um. Der FCC war wie immer: normal, behaglich, entspannt und semikolonial mit seinen Deckenventilatoren, Korbstühlen und gelben Fensterläden. Journalisten redeten mit UN-Mitarbeitern; Fotografen tranken mit einheimischen Bohemiens.
    Und doch hatte der Club sich verändert; oder war es Jake, der sich verändert hatte? Er wusste, dass er eigentlich todmüde sein musste. Das war er aber nicht. Warum? Vielleicht war er immer noch vollgepumpt mit Adrenalin, vielleicht war er noch aufgeputscht von der Angst und den unvergesslichen Bildern des Schreckens. Das an seiner Zimmertür hängende tote Baby mit seinen milchig trüben starren Augen. Das zu vergessen, war ein Ding der Unmöglichkeit.
    Tyrone tippte ihm mit seiner Flasche ans Knie.
    »Na, was träumst du denn gerade Schönes? Alles klar bei dir, Mann?«
    Jake schrak aus seinen Gedanken hoch.
    »Doch, doch, schon. Es ist nur … du weißt ja, diese Geschichte ist mir gewaltig an die Nieren gegangen. Und es ist ja nicht so, dass inzwischen alles aufgeklärt wäre. Ganz im Gegenteil. Das hängt mir immer noch ganz schön nach.«
    »Mhm.«
    »Du müsstest das doch eigentlich am besten kennen, Ty. Bosnien. Darfur. Tschetschenien. Du hast dich sicher schon einige Male in Lebensgefahr befunden. So etwas geht doch nicht spurlos an einem vorüber, oder?«
    »Allerdings. Du musst unbedingt sehen, dass du wieder Abstand zu allem gewinnst. Du könntest es natürlich auch wegsaufen. Oder ein bisschen Nummer vier nehmen.«
    »Keine Drogen mehr. Ich will Antworten.«
    »Schade. Bei mir hat es bestens funktioniert – bis es mich kaputtgemacht hat. Schneeweißes Heroin. Ich kann dir sagen.« Tyrone trank

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