Bienensterben: Roman (German Edition)
wir ankamen und eine Visitenkarte von Robert T. Macdonald vorfanden; er bat uns dringend, ihn sofort anzurufen, wenn wir zurück sind. In Großbuchstaben, das musst du dir mal vorstellen. Wir können wahrlich auf ihn verzichten. Er weiß, dass die Mädchen in meiner Obhut sind, bis irgendjemand außer ihm etwas anderes sagt. Sie haben es ganz sicher nicht eilig, zu Opa zu ziehen und dort auf die Rückkehr ihrer Lottereltern zu warten.
Marnie hat ihn dann angerufen, aber er wollte nicht am Telefon reden und hat gefragt, ob er vorbeikommen darf. Zuerst waren wir alle zögerlich. Marnie hat bald Prüfungen und muss lernen, auch wenn ich sie nie viel tun sehe, und wenn ich ehrlich bin, bereitet mir das Sorge. Niemand schüttelt so etwas einfach aus dem Ärmel.
Er kam eine Stunde nach dem Anruf und war ziemlich in Rage.
»Wo habt ihr denn bloß gesteckt, verdammt noch mal?«, wollte er wissen.
»Was geht dich das an?«, fragte Marnie.
»Was mich das angeht? Ich bin schließlich euer Großvater. Ihr könnt nicht einfach wegfahren und niemandem sagen, wo ihr seid!«
Wir blickten einander an und einigten uns stillschweigend, ihm nichts zu verraten.
»Wir waren in Mull«, sagte Marnie.
»Mull?«, wiederholte er. »Was gibt es denn in Mull?«, fragte er schnippisch.
»Ruhe und Frieden, alter Knabe«, sagte Nelly auf ihre typische Art.
Er ärgerte sich, so viel stand fest, aber weniger über ihre Ausdrucksweise als vielmehr über ihren unverblümten Sarkasmus.
»Ich bin fast gestorben vor Angst. Um ein Haar hätte ich die Polizei angerufen.«
Das ließ die Mädchen nicht kalt.
»Und dann?«, fragte Marnie.
Er sah sie ausdruckslos an. Darüber hatte er sich wohl noch keine Gedanken gemacht.
»Na, dann hätte ich euch gefunden.«
Der Gedanke, dass er ein Recht darauf haben könnte, sie zu finden , ärgerte die eine wie die andere, aber Marnie blieb ruhig.
»Verstehst du denn nicht, dass Lennie sich um uns kümmert, bis Izzy und Gene zurückkommen?«, fragte sie ihn.
Er nickte, aber es war sonnenklar, dass er nichts dergleichen verstand.
»Und die finden es in Ordnung, wenn ihr einfach so verschwindet, ohne jemandem ein Wort zu sagen?«
»Ja, tatsächlich. Das war lange geplant, bevor du auf der Bildfläche erschienen bist.«
»Tut mir leid«, sagte er. »Ich habe mir nur Sorgen gemacht, weiter nichts, erst seid ihr da und dann auf einmal spurlos verschwunden.«
»Ich möchte ja nicht unhöflich erscheinen«, meldete sich Nelly zu Wort. »Aber du bist dir schon darüber im Klaren, dass wir dich gerade erst kennengelernt haben, vor gar nicht langer Zeit?«
»Ich weiß, aber ich bin euer Großvater und ich habe ein Recht darauf, mein eigen Fleisch und Blut zu sehen und zu wissen, wo ihr seid.«
»Das haben Sie gar nicht«, hakte ich ein. »Die Mädchen stehen unter meiner Obhut, und Ihre Tochter hat sich nie ausdrücklich mit diesen Besuchen einverstanden erklärt, auf die Sie ein Recht zu haben glauben. Wenn Sie gestatten, Marnie muss jetzt weiter lernen und ich muss das Abendessen vorbereiten.«
»Sie haben ihr gesagt, dass ich hier bin?«, fragte er in der Annahme, wir hätten mit ihr gesprochen, und natürlich lautete die Antwort Nein, aber das sagten wir ihm nicht, und Marnie und Nelly tauschten wieder »den Blick« aus.
»Sie kann es nicht haben, wenn man sie bei der Arbeit stört. Sie hat nicht mal ein Handy«, sagte Marnie. »Jedenfalls würde sie einen Schreikrampf kriegen, wenn sie wüsste, dass du hier bist, und wahrscheinlich käme sie sofort zurück und würde uns verbieten, überhaupt mit dir zu sprechen.«
Er lief rot an, aber nicht aus Scham, sondern vor Wut.
»Vielleicht können wir wieder einmal zusammen brunchen«, schlug Nelly vor.
»Das würde ich sehr gern, vielleicht mit euch beiden zusammen?«
Er sah hoffnungsvoll zu Marnie hinüber, aber die zuckte nur mit den Achseln. Der Kerl ist ihr vollkommen egal. Danach gähnten wir alle lautstark, und zum Glück merkte er, dass er nicht mehr erwünscht war, und ging, samt seiner nicht ernst gemeinten Einladung zum Brunch, zumindest hoffe ich, er hat sie nicht ernst gemeint.
Marnie
Robert T. Macdonald hat eine ziemliche Welle gemacht wegen unserem Trip nach Firemore, aber wir haben es gerade noch hingebogen. Was erwartet dieser Typ eigentlich? Wir wissen kaum was über ihn, und was wir wissen, ist nicht direkt schmeichelhaft. Seine Familie hat er verprügelt und er hat gesoffen wie ein Loch. Ja, ja, angeblich hat er sich geändert, aber
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