Bienensterben: Roman (German Edition)
seit wann ich Eis verkaufe.
»Mach ich nicht mehr«, hab ich ihr gesagt.
»Hervorragend«, sagt sie. »Man setzt ja Speck an davon, und der Haut schadet es auch.«
»Aber Gene mochte es doch, oder?«, sage ich.
»Ich weiß es nicht genau«, flüstert sie.
Am liebsten hätte ich geschrien.
Jetzt ist sie auf einmal ganz dicke mit Robert T. Macdonald, nur weil er mal einen Tag den Batman gespielt hat, dabei weiß sie überhaupt nichts über ihn. Ich ja auch nicht.
Nelly
Mit Lennie ist wirklich kein Auskommen im Moment. Ständig verkrümelt er sich irgendwohin. Er ist ein richtiger Geheimniskrämer. Ob er vielleicht eine Freundin hat? Zum Glück haben wir unseren Opa, der sich um uns kümmert. Er ist immer zur Stelle und hilft uns, wo er nur kann. Wie schmerzen mich doch die Lügen, die wir ihm auftischen müssen, um unsere Geheimnisse zu bewahren.
Wir haben uns blendend verstanden in letzter Zeit und so viele schöne Orte zusammen besucht. Er kennt Glasgow wie seine Westentasche. Er geht ja so gern in die St. Mary’s Cathedral. Mit ihren Gewölbedecken und den handgeschnitzten Eichenbänken hat sie einen ganz besonderen Platz in seinem Herzen. Father McKeown ist ein waschechter Ire, wirklich ein Original, und er hat mir erlaubt, vor dem Altar zu spielen. Eine »himmlische Gabe« nennt er meine Musik. Das erfüllt Opa mit solchem Stolz. Wie er strahlt. Vater McKeown sagt, ich könne der Kirche eine Menge schenken, genau wie Opa, der es in seiner Jugend offenbar in Erwägung gezogen hat, Priester zu werden. Wirklich zu schade, denn ich glaube, er wäre ein hervorragender Priester geworden. Ein hervorragender.
Lennie
Während ich gestern meine Schuhe suchte, kam die Frau des Eisverkäufers vorbei. Deine Schuhe. Ich finde sie nirgends, aber ohne kann ich nicht rausgehen, es ist nass und kalt. Ich würde mir den Tod holen. Sie war etwas überheblich, und ich war nicht gerade erfreut, sie zu sehen, auch wenn ich eine Weile brauchte, um sie einzuordnen, wirklich ärgerlich. Ich dachte zuerst, sie wäre gekommen, um sich noch einmal auf Marnie zu stürzen, aber weit gefehlt. Ihr Mann ist untergetaucht, und wie es aussieht, hat er auch noch den letzten Rest von ihrem gemeinsamen Konto abgehoben. Ein echter Gentleman. Sie war extra zu einem Zeitpunkt aufgetaucht, als die Mädchen nicht zu Hause waren, und hatte insgeheim gehofft, ich hätte ihn vielleicht gesehen. Offenbar ist er vor irgendjemandem auf der Flucht, und ich hoffe nur, er wird gefasst; so ein Kerl verdient es nicht zu atmen. Jetzt hat sie nur noch ihr kleines Baby, und natürlich den Eiswagen. Warum sie ihn nicht einfach selbst betreibt, habe ich sie gefragt – sich selbstständig macht. Sie wirkte recht angetan von dieser Idee, aber es geht mich ja nichts an. Eigentlich interessiert es mich überhaupt nicht, wo sich dieser Verbrecher versteckt. Ich habe selbst genug Probleme.
Marnie
Mick ist verschwunden und alle suchen ihn, inklusive Vlado, aber er ist wie vom Erdboden verschluckt. Vlado hat seine Kontakte eingeschaltet, und die Suche läuft im großen Stil. Wenn er einen Fuß in die Region Glasgow setzt, dann besser nur mit einem Sack Bargeld, sonst kriegt er was auf die Fresse oder Schlimmeres. Ich bin froh, dass er weg ist. Ich hab es gehasst, wenn er um mich rum war und mich daran erinnert hat, was Liebe nicht ist.
Kirkland und ich haben eine supergeile Zeit zusammen. Wie in so einem französischen Film, wo sie in Regenmänteln im strömenden Regen spazieren gehen, nur dass wir keine Regenmäntel anhaben, aber einmal sind wir im Park Boot gefahren.
Ich gönne Opa erst mal einen Waffenstillstand, hab ich mir überlegt. Er ist eigentlich ganz okay, auch wenn mir ganz anders geworden ist, als ich gesehen hab, wie genüsslich er Mick neulich gewürgt hat. Er hat ganz schön Kraft, glaub ich.
Nelly und Opa kommen prima klar. Sie sind dauernd unterwegs und machen irgendwelche Ausflüge, sie verstehn sich blendend und er liebt es, wenn sie Geige spielt, wen wundert’s. Kim hat er auch schon kennengelernt, aber die mag ihn nicht. »Der hat irgendwas an sich, was mir nicht gefällt.« Kim hat ein Gespür für so was, das muss ich echt sagen, deshalb mach ich mir schon so meine Gedanken, auch wenn man sich heute gar nicht vorstellen kann, dass der fromme Robert T. Macdonald irgendwie Dreck am Stecken hat, er ist echt die Güte in Person. Er hat Sandy aufgenommen, bringt ihm einen Beruf bei und hat ihn vom Heroin weggeholt, außerdem kann er an keinem
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