Bienensterben: Roman (German Edition)
allein.« Und es war ihr Ernst. Sie hat wirklich die Koffer gepackt, auch meinen. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Geschlafen hab ich kaum, mich nur rumgewälzt, und sie auch, und kaum dass die Sonne aufging, waren wir weg. Ob er uns nach Hause fahren soll, hat er noch gefragt, aber wir haben abgelehnt.
»Tritt mir nie mehr unter die Augen«, hat sie zu ihm gesagt und ist zu Fuß zum Bahnhof marschiert, und ich hinterher.
Nelly
Wir kamen in aller Herrgottsfrühe, um sieben Uhr morgens, doch wie er sich freute, uns zu sehen! Er wirkte müde, so als hätte er kein Auge zugetan, und es dauerte lange, bis er die Tür öffnete. Er hatte auf dem Sofa geschlafen, vor dem Fernseher, die Quittung dafür wird er von seinem Rücken bekommen. Das sage ich ihm später noch. Mit Tränen bei unserer Ankunft hätte ich nicht gerechnet, mit Shortbread und einer guten Tasse Tee dagegen schon.
»Komm, alter Mann, gieß uns ein Tässchen auf«, sagte ich.
»Bin schon dabei, Liebes«, und dann umarmten wir uns. Wie froh ich doch war, wieder zu Hause zu sein. Wie froh Marnie war.
Marnie
Als ich Gene gehen sah, hatte er den Rücken zu mir gedreht. Izzy hat auf dem Sofa gesessen, geheult und getrunken. Ich hab nicht gefragt, warum. Ich hatte zu tun und es war mir auch egal. Sie hat eigentlich permanent geheult und getrunken. Gene hatte seine Stöpsel im Ohr und hörte Musik. Und Aftershave hatte er drauf, das roch nach Gin. Er hat den Rest aus einer Bierdose runtergekippt, sie neben das Telefon gestellt und sich eine Papiertüte mit einer Flasche Wodka drin geschnappt, für unterwegs. Dann hat er die Tür aufgemacht und ist raus und das war’s. Ich hab nicht mal Tschüss gesagt, und er auch nicht. Wozu auch? Haben wir bei uns zu Hause nie gemacht. Man ist einfach gegangen, außer Nelly, die ist so der Typ fürs Verabschieden, die würde sogar zu ihrem eigenen Schatten Tschüss sagen. »Lebewohl« hätte sie vielleicht gesagt, oder: »Gehab dich wohl.« Wir mussten immer lachen. Er hätte es nicht mal gehört.
Irgendwie kommt es mir vor, als wäre er bloß abgehauen und gar nicht tot, dabei seh ich ihn noch vor mir, wie er in eine durchgesuppte Decke gewickelt in ein flaches Grab plumpst und sein Gesicht unter dem Kies verschwindet, den ich draufwerfe, auf seine Augen, die noch offen sind und mich anstarren. Waren sie zwar nicht mehr, Izzy hatte sie zugedrückt, aber so hab ich ihn halt in Erinnerung.
Wenn ich mich wenigstens von ihm verabschiedet hätte. Wenn ich mich von Kirkland verabschiedet hätte, aber dazu hab ich gar nicht mehr die Chance gekriegt. Sie hat mich angeschrien und mir Vorwürfe gemacht, und er hat sie gelassen.
»Wie kannst du es wagen, hierherzukommen?«
»Ich wollte zu Kirkland, was ist denn das Problem?«, frage ich.
»Was das Problem ist? Er ist bis obenhin mit Temazepam vollgepumpt, das ist das Problem, du kleine Schlampe.«
»Ist doch nicht meine Schuld«, sag ich kleinlaut.
»Ach wirklich? Du hast also nichts davon gewusst?«
Ich wurde rot, vielleicht war es doch meine Schuld.
»Kirkland, sag’s ihr.«
Umgeben von einem Elendswölkchen taucht er hinter ihr auf und guckt mich nicht mal an.
»Es hat keinen Zweck, Marnie. Geh einfach.«
»Aber sie kann uns doch nicht vorschreiben, was wir machen sollen.«
»Das kann ich sehr wohl. Wenn du dich noch einmal hier blicken lässt, mein Fräulein, dann rufe ich die Polizei. Verstanden?«
»Fick dich!«, schrie ich sie an.
»Hör auf, Marnie. Sie hat recht. Wir können uns nicht mehr treffen. Ich muss wieder gesund werden. Wir können nicht mehr zusammen rumhängen. Geh einfach.«
Dann hat sie die Tür zugeknallt, und ich stand da im Regen bei ihm vor der Tür und hab geheult. Ich hab dann hochgeguckt und gehofft, er kommt ans Fenster und gibt mir irgendein Zeichen, dass das gerade nur ihr zuliebe war und mit uns alles okay ist, aber Kirkland hat die Vorhänge zugezogen. Das war’s, und es hat ihm nicht mal was ausgemacht.
Ich hab immer noch seinen iPod und seine Musik, seine Mix- CD s und seine blöden Liebeslieder, seine Ich-will-dich- und Ich-fick-dich-Songs. Eigentlich müsste ich sie wegschmeißen und hassen, kann ich aber nicht. Ich will sie hören und dabei heulen, mich dabei erinnern. Es ist so schwer, zu vergessen.
Lennie
Ein großer, dunkler Fremder, wie aus der Prophezeiung eines Wahrsagers. Vlado heißt er, und er trug einen pitschnassen Teenager in den Armen. Offenbar hatte Marnie einen Freund und jetzt ist es aus. Sie
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