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Bienensterben: Roman (German Edition)

Bienensterben: Roman (German Edition)

Titel: Bienensterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa O'Donnell
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ich gesehen, dass im Zimmer ganz hinten noch Licht brennt, und ich bin hin und wollte es ausmachen, alte Gewohnheit aus Zeiten halb leerer Stromkarten.
    Da ist mir aufgefallen, dass eine Schublade in der Kommode, auf der die Lampe stand, ein Stück offen war. Es lagen Fotos und private Papiere drin, irgendwer hatte sie angeguckt und anscheinend vergessen, die Schublade wieder richtig zuzumachen. Ich konnte mich nicht bremsen. Wie es aussah, hatte Robert T. Macdonald da ein ganzes Leben drin verstaut, aber war es nicht auch irgendwie zur Hälfte mein Leben? Ich hab in der Schublade gekramt und dabei alle fünf Sekunden zur Tür geguckt, ich wollte ja nicht beim Schnüffeln erwischt werden. Aber wahrscheinlich schlief er sowieso tief und fest.
    Es hat mich echt umgehauen. Massenweise Kinderfotos von Izzy. Sie war echt ein süßes Mädchen, und das hat mich trauriger gemacht als Nellys Geständnis früher am Abend. Dann ein Bild von seiner Hochzeit mit meiner Großmutter. Das Kleid war der Wahnsinn, und ich hab mir vorgestellt, wie es in einer Schachtel auf irgendeinem staubigen Speicher auf meine Hochzeit wartet, sorgfältig in Seidenpapier eingeschlagen, aber genau wie alles andere in unserem Leben hat es der Wirbelsturm unserer Vergangenheit weggefegt, eine Vergangenheit, die ich nie richtig kennen werde, nur ausschnittweise mal auf nikotinfleckigen Schwarz-Weiß-Bildern angucken kann. Auf den meisten Bildern waren Leute, die ich nicht kannte, und hinten war oft irgendwas draufgekritzelt. Janet 1963. Mhari und Kip – Oban. Mum, Dad und der kleine Willie. Ein Bild von einem Soldaten. Noch ein Hochzeitsfoto.
    Und dann ich.
    In Farbe.
    Mit Izzy.
    Und Nelly.
    Die Kieselmauer. Das Klettergerüst, und Nelly zeigt auf irgendwas im Hintergrund.
    Plötzlich legt mir jemand die Hand auf die Schulter. Ich lasse alle Bilder fallen, bis auf das Kodak.
    »Wunderschöne Aufnahme«, sagt er.
    Er sieht hart aus.
    »Was ist das?«, frag ich und schleuder ihm das Foto entgegen.
    »Weißt du das nicht mehr?«
    Ich schüttele nur den Kopf.
     »Sie ist vor deinem Dad geflüchtet, sie hat Drogen genommen und getrunken. Hör mir mal zu, Marnie.« Er greift nach meiner Hand. Ich ziehe sie weg. Er sieht wütend aus.
    »Du hast uns weggeschickt?«, flüstere ich.
    Er nickt.
    »Ich habe mich geschämt«, sagt er. »Es war mir peinlich. Ich wohnte in einer winzigen Stadt. Ich versuchte gerade einen Neuanfang, hatte einen Ruf zu verlieren. Sie hat mich an Dinge erinnert, denen ich mich zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht stellen konnte, deshalb hab ich ihr ein bisschen Geld gegeben, damit sie wieder geht. Dann bin ich umgezogen und …«
    »Nach unbekannt, nehm ich an.«
    »Es tut mir leid.«
    »Was willst du dann jetzt noch? Du hattest Izzy schon gefunden und hast sie wieder gehen lassen. Uns alle. Hast du einen leisen Schimmer davon, was wir hinter uns haben? Dass du uns vielleicht hättest helfen können? Du hast sie zwei Mal im Stich gelassen, wie konntest du so was tun?«
    Er fängt wieder an, auf den Fingernägeln rumzukauen.
    »Was willst du von uns?«, frag ich.
    »Ich will es wiedergutmachen.«
    »Nein«, sagt sie. »Dafür ist es zu spät.«
    Ich hab sie überhaupt nicht kommen hören, aber so ist Nelly eben. Leise. Schwebend.
    »Zeig mal«, bittet sie.
    Ich geb ihr das Bild. Ihre Miene wirkt plötzlich wie versteinert.
    »Was ist da noch drin?«, fragt sie.
    »Nur Bilder«, sagt er.
    »Lass mal sehen«, sagt sie.
    Er ist wie erstarrt. Kann sich nicht bewegen. Weiß schon genau, was sie gleich findet, und er hat Angst.
    Und schon ist sie an der Schublade und holt ein Bild nach dem anderen raus, mehr, als ich mir angucken konnte, bevor er sich rangeschlichen hat. Sie findet ein Bild von einer lachenden Frau in einem Brautkleid.
    »Wer sind diese Leute?«, fragt sie.
    »Das war meine Frau Brenda«, flüstert er. »Wir sind nicht mehr zusammen. Sie wollte eine Bar aufmachen, aber ich bin kein großer Trinker, wegen Gott.«
    »Und da hast du dich einfach aus dem Staub gemacht«, spottet sie.
    »Ich habe mich getrennt.«
    »Du bist ein Mistkerl«, flüstert sie. »Ein Schuft, ein Taugenichts, ein Schweinehund«, brüllt sie.
    »Sag das nicht«, fleht er.
    »Ich sage, wonach mir der Sinn steht. Komm, Marnie. Wir gehen.« Nelly weint.
    »Nicht mitten in der Nacht. Ihr könnt morgen früh gehen.«
    »Ich möchte aber jetzt gehen«, sagt sie.
    »Und ich sage: morgen früh!«, poltert er.
    »Komm, Marnie. Die Koffer packen sich nicht von

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