Bienensterben: Roman (German Edition)
himmlischen Engel geschickt, damit er sich um uns kümmert. Warum will Marnie nie dieselben Dinge wie ich? Ich kann ohne sie nicht bei ihm wohnen, das weiß sie. Ich kann nirgendwo sein ohne meine Schwester. Ich werde noch einmal mit ihr reden. Sie beschwören und flehentlich bitten.
Marnie
Keine Ahnung, wie sie mich dazu bequatscht hat – ein Wochenende ohne Kirkland –, aber sie allein mit Opa , der Gedanke gefiel mir irgendwie nicht, da will ich ihn erst ein bisschen besser kennenlernen. Er hat mir neulich echt einen Schrecken eingejagt – mir das Handy aus der Hand zu reißen und überhaupt so psychomäßig da im Regen zu stehen, und wie er über Lennie hergezogen hat, das ging mir echt gegen den Strich. Lennie war immer gut zu uns. Wir lieben ihn. Er ist die einzige Familie, die wir seit Langem hatten. Das soll jetzt nicht falsch rüberkommen, ich weiß, dass das auch für Opa gilt, aber er muss sich irgendwie dran gewöhnen, dass Lennie ein wichtiger Teil unseres Lebens ist. Aber Opa denkt ja, Izzy und Gene kommen zurück und dass er Lennie dann irgendwie loswird. Wird er aber nicht, Lennie gehört einfach zu uns. Wenn Opa erst mal schnallt, dass Izzy nicht mehr zu ihren zwei kleinen Engelchen zurückkommt, startet er eine landesweite Suchaktion nach seiner Tochter, da verwette ich meinen Arsch drauf. Er guckt uns ja jetzt schon immer so skeptisch an, so wie Lennie am Anfang, als wüssten wir genau, wo sie steckt. Er glaubt, sie ist irgendwo auf dem Land, weil Mick die Pässe gefunden hat, und insgeheim denkt er, wir wüssten, wo. Hat er ja auch irgendwie recht.
Dass Izzy so eine grottige Mutter war, ist schon eine fantastische Ausrede, muss ich zugeben, und ich weiß, es klingt echt krank, aber im Moment brauchen wir so viel Ablenkung wie möglich. Es ist nicht leicht, wenn die eigenen Eltern im Garten vermodern und keiner darf was merken.
Sein Haus war riesig und nagelneu, und es roch ganz eindeutig nach Nikotin. Er hat geraucht, aber so getan, als würde er nicht rauchen. Spontan hab ich darüber lachen müssen, aber nur ein bisschen – so was Scheinheiliges, dabei ist er ja Christ, was in etwa aufs Selbe rausläuft. Die Fenster waren blitzblank geputzt und hatten Plastikrahmen, die Dielen waren aus hellem Holz. In der Küche gab es ein Dachfenster, und er hatte drei Schlafzimmer, eins für Gäste. Unser Zimmer war echt der Hammer. Ein Doppelstockbett, echte Handarbeit, und in die Kopfbretter waren Sterne geschnitzt. Rosa Wände mit aufgemalten Comicfiguren. Eine Spieldose mit einer Ballerina drin. Ein Schaukelstuhl, und die Kissen farblich passend zur Wand. Passende Tagesdecken, Regale voller Kinderbücher und für mich ein Schreibtisch. Eiche. Poliert. Nicht rosa. Er plant ganz eindeutig, dass wir eines Tages zu ihm ziehen, nicht nur übers Wochenende. Ich hab mich gefragt, ob das andere Zimmer für Izzy gedacht ist. Da tat er mir irgendwie leid.
Später haben wir einen Bette-Davis-Film geguckt, über so eine potthässliche Frau, die dann was aus sich macht und auf einem Schiff mitfährt. Da lernt sie ihre große Liebe kennen, aber sie kriegen sich nicht. Hat mich voll runtergezogen, aber Nelly fand’s toll. Tonnen von Süßigkeiten hatte er uns gekauft. Gummibärchen. Schokoriegel und Cola. Lauter ungesundes Zeug. Gegen elf sind wir dann alle ins Bett, nachdem wir über Izzys Kindheit geredet hatten, was ziemlich bedrückend war, wir wissen ja kaum was über diese Welt. Hat uns irgendwie wehgetan, davon zu hören. Was sie als Kind gemacht hat und wo sie gewesen ist. Er hatte massenweise Erinnerungen an sie, und ich glaube, er fand sie niedlich, aber uns haben sie bloß traurig gemacht. Wie schlau Izzy war und dass sie mit drei lesen konnte und mit vier zählen. Dass Izzy öfters mal gegen Türen gerannt ist, weil sie was mit den Augen hatte. Und wie sie das eine Mal einen alten Mann mit »Weihnachtsmann« angeredet hat, weil er dick war und einen Bart hatte. Und einmal hat Izzy ihrer Mutter den Ehering geklaut, weil sie mit ihrem Dad verheiratet sein wollte. Sie hat ihn im Garten verbuddelt, hat er erzählt, und sie haben ihn erst nach Tagen wiedergefunden. Dann gab es noch so eine Story beim Zahnarzt; Izzy hat ihn geschlagen, als sie aus einer Narkose aufgewacht ist, und einmal ist sie ausgebüxt, aber dann haben sie sie mit einer Tüte Gummibärchen unter dem Bett gefunden.
»Sie war überhaupt nicht weg gewesen! Ist das nicht ein Ding?«, hat er gegrölt und gelacht.
Mir war irgendwie
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