Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
einigen Wochen an dessen Geburtstag im Biergarten kennengelernt. Der Mann, der sie damals begleitete, entpuppte sich als Taxifahrer, der mit den Koffern behilflich gewesen war. Selma war überraschend aus Istanbul gekommen und hatte nicht genügend Euro bei sich gehabt, um die Taxifahrt zu bezahlen. Lebhaft konnte er sich an Zekis Wut erinnern, der in dem Taxifahrer den neuen Lebensgefährten seiner geschiedenen Frau vermutete. Nahtlos ging seine Wut in Erleichterung über, als sich der vermeintliche Konkurrent als harmlos erwies. Die Stimmung danach war bestens. Leipold hatte fast den Eindruck, Demirbilek habe sich frisch in Selma verliebt.
Er beobachtete, wie Selma mit ihrem Begleiter, der mit Jeans und aufgeknöpftem Hemd jugendlicher erscheinen wollte, als er war, gutgelaunt die Lobby durchschritt. Der Mann, da war sich Leipold sicher, war bestimmt kein Taxifahrer. Er stellte die Vermutung an, dass die beiden gerade von einem Abendessen zurückkehrten. Selma trat zur Rezeption, während der Mann mit einer Aktenmappe unter dem Arm zur Hotelbar ging. Er setzte sich auf ein Zweiersofa und öffnete die Mappe. Leipold registrierte, wie Selma neben ihm Platz nahm und seine Aktenmappe zuschlug. Offenbar hatte sie keine Lust mehr auf Arbeit.
Leipold fragte sich gerade, ob Demirbilek wusste, dass sich seine große Liebe in der Stadt aufhielt, als Herkamer ihn aus seinen Gedanken riss.
»Kennst du die Frau?«, fragte er interessiert.
Ohne eine Antwort zu geben, besann sich Leipold wieder auf den Grund seines Besuches. Er nahm den distinguierten Herrn an der Rezeption ins Visier, der Selma eben noch den Schlüssel ausgehändigt hatte, und marschierte auf ihn zu.
»Haben wir telefoniert?«, brummte Leipold missmutig.
Der Empfangschef des Luxushotels beendete seinen Eintrag am Computer, um sich dem Herrn in Lederjacke zuzuwenden.
»Einen guten Abend. Sie sind sicher Kommissar Leipold«, stellte er mit gedämpfter Stimme fest. »Herr Bayrak hat Ihnen eine Nachricht hinterlassen.«
Seine rechte Hand löste sich von der Tastatur. Der Griff nach hinten zu den Postfächern wirkte formvollendet und elegant. Mit einer dezent dienenden Kopfneigung überreichte er dem Kommissar das Kuvert. Dieser griff zu seinem Ohrring. Eine nervöse Geste, die er unbewusst machte, wenn er beim Durchdenken einer Situation ins Stocken geriet. Er schnappte sich das Kuvert, riss es mit zwei schnellen Handgriffen auf und las den Text.
»Scheißdreck! Bin ich hier auf einem anatolischen Bazar, oder was?«, schnaubte er und machte somit seiner Entrüstung Luft.
Danach drückte er Stern die Nachricht in die Hand und stakste Richtung Ausgang. Er hatte genug. Er wollte nach Hause und endlich seine Ruhe haben. Stern und Herkamer folgten ihm, wobei Stern grinste, als er die kurze Nachricht im Gehen las. Schließlich reichte er sie an Herkamer weiter. Herr Bayrak hatte den von Leipold bestellten türkischen Dolmetscher gebeten, die Nachricht zu verfassen. Bayrak ließ Leipold wissen, dass er bei der Mingabräu dringende Angelegenheiten zu erledigen habe. Um elf Uhr am nächsten Vormittag werde er sich beim türkischstämmigen Kommissar Demirbilek einfinden, um eine Aussage zu machen – selbst wenn diese nichts zur Aufklärung des Mordes an seiner Mitarbeiterin beitragen würde. Amüsiert steckte Herkamer das Kuvert ein.
18
S eine Unruhe machte ihm zu schaffen. Zeki drückte immer wieder auf die Taste seines Handys, um die Uhranzeige aufleuchten zu lassen. Es war halb drei Uhr morgens. Stimmen drangen aus dem Flur in das Schlafzimmer. Sein Sohn kam nach Hause, mit ihm Jale. Nicht aufregen, besänftigte er sich. Jale war nach der vergeblichen Suche nach der geflohenen Frau zu Aydins Konzert aufgebrochen. Die beiden hatten mit Sicherheit im Anschluss gefeiert. Ihr gutes Recht.
Die Fahndung war bislang ergebnislos geblieben. Das wusste er, sonst hätte das Handy neben dem Ehebett, in dem er allein schlief, geläutet. Es war auf höchste Lautstärke gestellt. Er spitzte die Ohren und vernahm Wortfetzen vom Flur. Sie zogen Schuhe und Jacken aus. Offenbar schien Jale wegen des von ihr zu hart geführten Verhörs kein schlechtes Gewissen zu haben. So war sie.
Demirbilek kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass er nicht mehr einschlafen würde. Laut Abreißkalender in der Küche ging die Sonne um 05 : 51 Uhr auf. Es war noch genug Zeit, um für den Fastentag etwas zu sich zu nehmen. Ungeduld ergriff ihn. Er wollte Klarheit in den Fall bringen,
Weitere Kostenlose Bücher