Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
Bayrak hat Geschäftsleute aus der Türkei und Dubai nach München geladen. Er sucht Investoren für die Mingabräu. Die Mail mit den Namen hat er dir vorhin geschickt, als ihr auf mich gewartet habt.«
Leipold senkte seinen Blick in die Unterlagen und schüttelte verärgert den Kopf.
»Gut gemacht, Herr Kollege!«, stellte er bissig fest.
»Gern geschehen. Schreib in deinen Bericht, wie viel Geld wir für den Dolmetscher gespart haben. Das wird Weniger freuen.«
»Ach ja?«, spottete Leipold. Er suchte nach einer Möglichkeit, Demirbilek nicht als Sieger aus dem sinnlosen Verhör hervorgehen zu lassen.
»Frag Herrn Bayrak doch, ob er, rein zufällig, Selma kennt.«
Demirbileks plötzlich einsetzender innerer Aufruhr war unübersehbar. Der Geschäftsmann, der bereits aufgestanden war, nahm wieder Platz.
»Wie kommst du auf Selma?«, fragte Demirbilek so perplex wie jemand, der völlig unerwartet vom Tod eines Freundes erfahren hatte. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum Leipold ihn das fragen lassen wollte und dabei ein derart dummdreistes Gesicht aufsetzte.
Leipold kostete den Moment aus. »Ich habe Selma im Hotel gesehen, als ich …« Er deutete zu Bayrak, der vergebens darauf wartete, vom türkischen Kommissar eine Übersetzung geliefert zu bekommen.
»Du sprichst von Selma? Von meiner Selma?«, hakte Demirbilek sicherheitshalber nach. Er erinnerte sich daran, wie Leipold sie bei der ungeplanten Geburtstagsfeier vor einigen Wochen kennengelernt hatte.
»Sag bloß, du weißt nicht, dass sie in München ist?«, fragte Leipold mit unverhohlener Häme.
Demirbilek verweigerte eine Antwort darauf. »War sie allein?«
»Eine Klassefrau wie Selma ist doch mitten in der Nacht nicht allein. Aber mach dir keine Sorgen. Wenn du mich fragst, war ihr Begleiter höchstens ein guter Bekannter. Sie haben in der Lobby was getrunken, war spät, ein Schlummertrunk wahrscheinlich«, erläuterte Leipold.
Demirbilek hatte wie versteinert zugehört und presste schließlich tonlos hervor: »Welches Hotel?«
Leipold nannte es ihm und merkte im selben Moment, einen Fehler gemacht zu haben. Demirbilek liebte Selma. Das war an dem Tag, als sie seinen Geburtstag feierten, allen, die zwei Augen und ein Herz hatten, aufgefallen.
24
W ährend der Fahrt mit der U-Bahn führte Zeki tausend Gründe und mehr in Gedanken auf, warum Selma nichts erzählt hatte. Sie war in München. In einem Luxushotel. Mit einem Mann. Keinen der ihm in den Sinn kommenden Gründe hielt er für gewichtig genug. Erst vor zwei Tagen hatten sie miteinander telefoniert. Sie wollte Aydin wegen eines Schreibens des Istanbuler Musikkonservatoriums sprechen. Bei der Gelegenheit hätte sie ihm sagen müssen, dass sie nach München kommen wollte. Die aufkeimende Eifersucht wuchs zu einem gewaltigen Problem heran. Er konnte nicht mehr klar denken, bemerkte er und verglich sich selbst mit einem Kind, das man beim Spielen ausgeschlossen hatte.
Am Max-Weber-Platz stieg er aus und eilte die Rolltreppen hinauf. Links gehen, rechts stehen, das war die Devise auf Münchens Rolltreppen. Der auf der linken Überholspur musikhörenden Göre musste er auf die Schulter klopfen, damit sie den Weg frei machte. Er wollte die Durchsuchung der Wohnung so schnell wie möglich durchführen, um danach im Hotel nach Selma zu fragen. Er brauchte Gewissheit. Vielleicht hatte sich Leipold ja getäuscht? Die Trambahn erwischte er gerade rechtzeitig. Sein Herz raste, wie es oft raste, wenn er an Selma dachte. Nach zwei Haltestationen erreichte er etwas verspätet das Gebäude in der Ismaninger Straße.
Der Hausmeister, der vor der Tür auf ihn wartete, war Türke. Mitte dreißig, korpulent, unrasiert, ausgeleierte Turnschuhe, Arbeitshose mit unverständlich vielen Taschen. Der Mann, der zu allem Überfluss eine Baseballkappe mit dem Wappen von New York City tief im Gesicht trug, zeigte sich hilfsbereit. Das aber nicht von ungefähr, wie Demirbilek aus den Ausführungen des Istanbuler Kollegen wusste. Der Hausmeister erhielt von Ömers Eltern monatlich einhundert Euro extra zugesteckt, um ein Auge auf ihren Sohn zu haben und bei der Eigentumswohnung nach dem Rechten zu sehen. Nach seinen Informationen war der offizielle Mieter der Dreizimmerwohnung ein Verwandter, der geschäftlich regelmäßig in München zu tun hatte. Ömer hatte eines der Zimmer bezogen.
Der Hausmeister reichte ihm wortlos die Hand, dann stiegen sie die Treppen des vierstöckigen Hauses hinauf.
Weitere Kostenlose Bücher