Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
Lebendgewicht davon. Sie schlugen einen Pfad abseits des Gehweges ein, zwischen den Bäumen und Büschen hindurch. Nach etwa fünfzig Metern erreichten sie den Fundort der Leiche und legten ihre Kollegin ab. Da Leipold rückwärtsgegangen war, hatte er den kleinen Parkplatz nicht im Blick, der für das Personal reserviert war.
»Was hatte sie an?«, fragte Demirbilek unvermittelt.
»Ein neumodisches Dirndl, knapp geschnitten. Hast sie doch selbst gesehen.«
Vierkant verharrte am Boden und hörte regungslos zu.
»Ich meine Selma. Was hatte sie im Hotel an?«
Leipold schluckte. »Du, Zeki, es tut mir leid … Das war nicht gerade …«
»Ich will wissen, was sie anhatte.«
Leipold verdrehte die Augen. »Ein rotes Abendkleid. Der Mann hatte eine Arbeitsmappe. Der war nur ein Kollege, ganz bestimmt. Sie haben in der Lobby Unterlagen studiert«, antwortete er mit einer Notlüge, um den Kommissar zu besänftigen. Selma, erinnerte er sich, stand nicht der Sinn nach Arbeit.
Demirbilek nickte verhalten.
Leipold konnte ihm nicht ansehen, ob er erleichtert war oder innerlich weiterhin brodelte.
Ansatzlos wechselte Demirbilek das Thema. »Möglicherweise wollte der Täter die Leiche im Kofferraum eines Autos verschwinden lassen«, sagte er ruhig.
Leipold drehte sich zum Parkplatz um. Vierkant richtete sich auf.
»Er hat sie zurückgelassen, weil sie jemand gesehen hat«, überlegte Vierkant laut.
»Oder
er
hat jemanden gesehen. Vielleicht ist ihm aber einfach nur die Leiche zu schwer geworden«, mutmaßte Demirbilek, dann wandte er sich an Leipold. »Überprüf mal, wer seinen Wagen dort abgestellt hatte. Auf den Personalparkplatz kommt ja nicht jeder.«
»Mach ich«, versicherte Leipold.
»Gut«, antwortete Demirbilek, als wäre Leipold Mitglied seines Teams. »Ich finde nur merkwürdig, warum der oder die Täter die Leiche überhaupt beseitigen wollten.«
»Hast du eine Idee?«, fragte Leipold interessiert.
»Ja«, erwiderte Demirbilek trocken.
»Und?« Leipold ließ sich auf das Geduldsspiel ein. Notgedrungen.
»Das Opfer kannte ihren Mörder«, schlussfolgerte Vierkant. »Sie ist ja nicht vergewaltigt worden.«
»Das glaube ich auch«, bestätigte Demirbilek und wandte sich ihr zu. »Sie hatte einvernehmlichen Sex. Entweder hat sie Geld genommen, wie in der Zeitung spekuliert wurde, oder sie kannte ihn.«
»Und?«, fragte Leipold abermals mit Nachdruck. »Du glaubst also nicht, dass der, mit dem sie geschlafen hat, sie auf dem Gewissen hat?«
»Nicht unbedingt. Von Ejakulat war ja keine Spur. Sie wurden unterbrochen und sind auseinandergegangen, das wäre auch eine Variante.«
Leipold schnaufte tief ein.
»Sie hatte keinen Freund, hast du gesagt?«, sprach Demirbilek weiter.
»In der Wohnung war nichts, was darauf hinweist. Keine Fotos oder Briefe. Ihr Notebook haben wir noch nicht gefunden. Derzeit gehen wir davon aus, dass sie Single war«, half Leipold in bester Assistentenmanier aus.
Demirbilek sah skeptisch drein. »Vielleicht hatte sie einen heimlichen Liebhaber?«
Leipold überprüfte mit Blick zum Personalparkplatz Demirbileks Hypothese. Als er aufschaute, war sein türkischer Kollege nicht mehr da.
»Musst ja nicht selbst den Parkplatz überprüfen. Lass Herkamer das machen«, munterte Vierkant Leipold auf. »Darfst ihm nicht böse sein. Er meint es nicht so, wie es aussieht.«
»Wie meint er es dann?«
»Eben anders.«
27
Z eki hatte nach dem Überraschungsbesuch an Leipolds Tatort beschlossen, ein türkisches Lebensmittelgeschäft aufzusuchen. Es war nicht weit entfernt; zu Fuß etwa zwanzig Minuten vom Veranstaltungsort des Bierfestivals. Unterwegs erkundigte er sich nach der Fahndung des Hausmeisters. Noch war er nicht gefasst worden. Der Kommissar in ihm machte sich keine Sorgen. Sie hatten seine Personalien, er war ordentlich gemeldet, seit zwölf Jahren unter derselben Adresse. Der Gesuchte war Familienvater. Ehefrau und vier Kinder warteten zu Hause. Er würde sie nicht im Stich lassen. Sie würden ihn finden. Früher oder später.
Zeki bog in die Landwehrstraße ein, wo unweit des Hauptbahnhofes viel Betrieb war. Er flanierte an emsigen Arbeitern vorbei, die Waren vor den Lebensmittelgeschäften stapelten, hielt ein Schwätzchen über den unsäglichen Sommer mit einem Bekannten, der auf einem Schemel vor einem 1 -Euro-Laden seine Gebetskette wirbelte. Direkt auf der anderen Straßenseite glitzerte eine Tabledancebar mit Fotos aufreizender Tänzerinnen. Im angrenzenden
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