Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
weiter, ob er das dümmliche Bekennerschreiben ernst nehmen sollte. Nichts war unmöglich. Das war ihm bewusst. Eine rechtsradikale Organisation hinter Bayraks Ermordung war vorstellbar.
»Glauben Sie, Rechtsradikale stecken dahinter?«, hörte er seine Gedanken wie ein Echo. Auf der Stelle zog er mit sich ins Gericht, schalt sich, wieder die Konzentration verloren zu haben.
»Wenn Sie mich fragen …«
Den Rest verstand er nicht mehr, zu erleichtert war er darüber, Cengiz’ Stimme erkannt zu haben. Er drehte sich um. Da stand sie vor ihm. Die Handtasche um die Schulter gehängt.
»Wo willst du hin?«, fragte er. »Wir haben zu tun.«
»Ich war bei der Brauerei, weil ich mit Ihnen reden wollte«, erklärte sie.
Demirbilek sah sie fragend an.
Ȇbermorgen ist
Bayram.
«
»Ich weiß, wann Ramadan zu Ende ist. Wir feiern das Zuckerfest zusammen.«
Sie lächelte verlegen. »Das wird nicht gehen.«
»Warum?«
»Ich möchte ein paar Tage freinehmen.«
»Auf gar keinen Fall. Ich brauche dich hier. Weniger hat mich gerade in die Verantwortung genommen. Wir müssen Bayraks Mörder finden. Und der Fall Manuela Weigl gehört uns jetzt auch.«
Es war leicht, Cengiz wieder für die Arbeit zu interessieren. Aydin hatte wohl recht. Er und Jale waren sich sehr ähnlich.
»Was ist mit den Rechten? Glauben Sie daran?«, fragte sie in einem neuen Anlauf.
»Es geht nicht darum, was ich glaube. Das Schreiben müssen wir ernst nehmen, natürlich. Was ist deine Meinung?«
»Eine Finte. Dummer Versuch, uns in die Irre zu führen.«
Sie verwendet deine Worte, stellte Demirbilek erschrocken fest.
»Könnte sein. Überhaupt werden die beiden Fälle immer verworrener …«
»Die beiden? Was ist mit Özkan?«
»Zwischen dem Todeszeitpunkt und der Aufnahmezeit des Handyvideos ist nicht viel Zeit vergangen.«
»Für einen Mord braucht man nicht viel Zeit«, konterte Cengiz, nun wieder ganz auf die Ermittlungsarbeit konzentriert.
»Du hast recht, ich weiß. Dennoch. Ich bin mittlerweile überzeugt, dass er tatsächlich ertrunken ist. Oder aber Vester ist ihm und Weigl gefolgt.«
»Ich habe seine Eltern besucht. Der Bericht liegt auf Ihrem Schreibtisch. Er war nach der Sache mit Özkan in seiner Stammkneipe in Sendling, hat sich mit Schnaps volllaufen lassen.«
Demirbilek nickte. »Wo er jetzt ist, wissen die Eltern nicht?«
»Nein. Angeblich wollte er mit Freunden an den Gardasee. Ich habe seine Kumpel durchtelefoniert. Die wussten aber nichts davon.« Cengiz schluckte. Sie sah müde aus. »Was ist mit meinem Urlaubsantrag?«
»Morgen früh muss ich einen Bericht fertig haben, sonst gibt es Ärger mit Weniger. Fahr heim. Wir reden zu Hause weiter«, lenkte Demirbilek verständnisvoll ein.
»Zu Hause? Über die Arbeit?«
»Ausnahmsweise.«
Cengiz wandte sich ab, um zu gehen. In ihrem bisherigen Leben war es in Ordnung gewesen, den Beruf über die persönlichen Belange zu stellen. Mit der Schwangerschaft, machte sie sich deutlich, hatte sich das schlagartig geändert. Sie blieb nach ein paar Schritten stehen und kehrte zu ihrem Chef zurück. In ihrem entschlossenen Gesicht und den kampflustig funkelnden Augen erkannte Demirbilek, wie schön Jale war, und beglückwünschte seinen Sohn zu seinem ausgesprochen guten Geschmack.
»Ich möchte
Bayram
bei meinen Eltern sein und mit ihnen in Ruhe reden. Sie wissen, warum.«
»In Berlin?« Das dürfte kein Problem sein, überlegte er. Frühmaschine hin. Letzte Maschine zurück. Sie würde einen Arbeitstag ausfallen.
»Nein, sie sind in Istanbul.«
Auch kein Problem, sagte sich Demirbilek. Eine Übernachtung. Zwei Fehltage. Weniger musste davon nichts mitbekommen.
»Zwei Tage.«
»Vier«, handelte Cengiz.
»Zwei.«
»Drei.«
Demirbilek seufzte. Zwei Übernachtungen. Cengiz hatte die Auszeit nötig, Nähe und Beistand ihrer Eltern würden ihr helfen, sich für das Kind zu entscheiden, argumentierte er mit sich. Dann ärgerte er sich. Warum war das Zuckerfest für Muslime kein Feiertag in Deutschland? Wie Weihnachten oder Ostern. Dann gäbe es die Probleme nicht.
»Gut«, willigte er schließlich ein.
Cengiz hatte zähere Verhandlungen erwartet. Sie atmete erleichtert auf. »Danke.«
»Kochst du was, heute?«, fragte Demirbilek. Er hätte es gerne gesehen, wenn Jale, Aydin und er den Abend miteinander verbrachten.
»Wann?«
»Zwanzig Uhr fünfundvierzig.«
Fastende wussten meist auf die Minute genau, wann die Sonne unterging und damit das Ende des Fastentages
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