Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
Was er an der Situation mochte, war, dass die Kellnerin nicht versuchte, ihm drinnen einen Platz aufzuschwatzen. Überhaupt empfand er für Derya eine gewisse Sympathie. Wann immer sie Zeit fand, gesellte sie sich bei seinen Besuchen auf einen Plausch zu ihm oder schenkte ihm beim Vorbeigehen trotz acht Maß Bierkrügen in den Unterarmen ein Lächeln. Die Befürchtung, Derya könnte sich auf ihn einlassen, hinderte ihn daran, ihr ernsthafte Avancen zu machen.
Er überlegte gerade, wie es wäre, sie außerhalb ihres Arbeitsplatzes zu treffen, als Derya zum Fastenbrechen eine Pfannkuchensuppe empfahl, danach Obazda mit Breze. Also die bayerische Variante, wie sie betonte. Demirbilek lehnte ab, denn er wollte Fleisch. Er entschied sich nach kurzer Unterredung für Kalbshaxe und eine große Flasche Wasser. Mit Sprudel. Derya blickte auf die Uhr. Viel Zeit blieb nicht, sie beeilte sich, um die Bestellung rechtzeitig zum Fastenbrechen servieren zu können.
Demirbilek harrte zehn Minuten aus, bis nicht Derya, sondern Leipold mit einem Tablett zu ihm eilte. Deryas Regenschirm klemmte unter seinem Kinn, damit das Essen nicht nass wurde.
»So, jetzt iss, dann geht es dir wieder besser«, sagte er fürsorglich. Dabei servierte er den Teller mit der Kalbshaxe und Kartoffelknödel. Derya hatte an Sauerkraut gedacht und gleich zwei Flaschen Wasser mitgegeben. Außerdem befand sich auf dem Tablett eine Schale mit Oliven und Leipolds zweites Weißbier. Offiziell hatte er Dienstschluss.
Ohne eine Erklärung zu fordern, schraubte Demirbilek den Verschluss der Wasserflasche auf. Dann vergewisserte er sich auf seiner Armbanduhr nach der Uhrzeit, wartete, bis der Sekundenzeiger die volle Minute erreicht hatte, und nahm dann eine Olive in die Hand, sprach das kurze Gebet zum Fastenbrechen, warf sie in den Mund, kaute langsam, schluckte und griff zur Wasserflasche, um direkt daraus zu trinken. Vorher prostete er mit einem dankbaren Nicken Leipold zu, der sein zweites Glas Weißbier erhob.
»Prost.«
»Şerefe.«
In dem Moment hörte es zu regnen auf.
»Lass es dir schmecken, alter Osmane. Du bist schon ein komischer Kerl.«
In den nächsten Minuten schwiegen beide. Demirbilek aß und trank. Leipold genoss sein Weißbier, dazu rauchte er einen Zigarillo. Als Demirbilek nach dem Essen den Mund abwischte, begann Leipold zu reden.
»Er hat angerufen.«
»Dietl?«
»Die Kollegin hat das am Telefon phantastisch gemacht.« Leipold lachte in sich hinein. »Er hat ständig nach dem Porsche gefragt, ob alles in Ordnung sei. Zigfach. Der hängt an dem alten Karren, sag ich dir.«
»Du meinst, er reist dem Porsche tatsächlich hinterher?«
»Mit Sicherheit.«
»Also, wo war er beim Anruf?«
»Am Flughafen in Wien.«
»Allein?«
»Nein«, sagte Leipold und nahm unter Demirbileks gierigen Augen einen Schluck Weißbier. »Ein Freund in der Wiener Mordkommission hat ein wenig herumtelefoniert. Dietl und Zeil sitzen im Flieger …«
»Nach Istanbul«, kam ihm Demirbilek zuvor.
Leipold nickte. »Fliegen wir hin, Chef?«, fragte er mit einem Augenzwinkern.
»Hilft ja nichts«, entgegnete Demirbilek. Dann schnappte er sich Leipolds Weißbierglas und trank den Rest in einem Zug aus.
Leipold verkniff sich einen Kommentar. Das erste Bier seit über drei Wochen schien die Kampflust des türkischen Grantlers zu wecken.
Demirbilek holte sein Handy heraus. »Wann landen sie?«
»Um halb elf und ein paar Zerquetschte.«
Der Istanbuler Amtskollege Selim Kaymaz ließ sich Zeit, bis er den Anruf entgegennahm. Die orientalischen Weisen im Hintergrund überraschten Demirbilek nicht. Kaymaz beging auf ganz andere Art als er das letzte Fastenbrechen. Er beschrieb dem Polizisten sein Anliegen und die Dringlichkeit. Natürlich war die Nachricht über Bayraks Ermordung bis nach Istanbul vorgedrungen. Kaymaz versprach, die Verdächtigen am Flughafen abzufangen und beschatten zu lassen. In den nächsten zwei Stunden klärten Leipold und Demirbilek am Telefon alle notwendigen Formalitäten, während Derya sie in regelmäßigen Abständen mit Bier versorgte. Demirbilek plante, am Nachmittag zu fliegen, um genügend Zeit für die Vorbereitung der spontanen Dienstreise zu haben.
Als Pius am Ende des Biergartenbesuches auf wackligen Beinen versuchte, sich mit einer Umarmung zu verabschieden, war es ein Uhr morgens. Die beiden Polizisten stritten in aller Freundschaft darüber, wer von beiden betrunkener war, bis Pius seinen Interimschef als Sieger
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