Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
sein Blick in die Küche. Der Frühstückstisch war liebevoll für zwei Personen gedeckt, als fiele Weihnachten und das Zuckerfest auf denselben Tag.
65
G egen acht Uhr morgens schlich Zeki in die eigene Wohnung. Die demütigende Selbstkasteiung nahm er tapfer auf sich, solange er seinem Sohn nicht erklären musste, wo er die Nacht verbracht hatte. Zum Glück schlief Aydin noch. Demirbilek duschte, zog sich um und packte den Trolley für die anstehende Reise nach Istanbul. Dann hinterließ er Aydin eine Nachricht auf dem Küchentisch. Auch wenn er wenig Zeit hatte, beabsichtige er, wegen des hohen Feiertages die Moschee zu besuchen.
Zu seinem Erstaunen war Leipold bereits da, als er eine Stunde später im Büro erschien. Er machte keinen sonderlich angeschlagenen Eindruck. Offenbar hatte sein Kollege die Weißbiere genauso gut vertragen wie er selbst. Auch die anderen vom Team waren schon an der Arbeit. Vierkant begrüßte ihn mit einem charmanten, wissenden Gesichtsausdruck.
»Muss auch mal sein, Herr Demırbılek«, meinte sie verständnisvoll. Dann schüttelte sie ihm die Hand, um zum Ende des Ramadans zu gratulieren:
»Bayramınız kutlu olsun.«
Sie hatte lange dafür geübt. Die türkische Verkäuferin, bei der sie morgens Semmeln holte, hatte geholfen.
Normalerweise hätte Demirbilek die Glückwünsche erwidert. Doch im Fall der gläubigen Katholikin machte es keinen Sinn, stattdessen küsste er sie zum Dank auf die Wangen und nahm ihr das Flugticket ab. Es waren nicht zwei, sondern nur eins.
»Was ist mit Leipold?«
»Herr Weniger ist eben gegangen. Er hat sich auf den aktuellen Stand bringen lassen«, informierte sie ihn. »Sie sollen sich übrigens in Istanbul bei der Diplomatin persönlich entschuldigen. Die beiden haben miteinander telefoniert.«
»Ist das eine dienstliche oder eine persönliche Anweisung?«
Leipold kam hinzu und übernahm für Vierkant die Antwort. »Stinksauer war er. Schon besser, wenn du das klärst.«
Demirbilek verzog keine Miene. »Ich wollte sowieso zu ihr«, erklärte er. Dann dachte er einen Moment nach, bevor er Vierkant ansprach. »Hast du Özkans Habseligkeiten schon verschickt?«
»Noch nicht, warum?«, erwiderte sie überrascht.
»Pack sie ein, ich nehme sie mit.«
Dann wandte er sich Leipold wieder zu. »Was ist mit der Staatsanwaltschaft?«
»Sie nimmt Kontakt zu den türkischen Behörden auf, hat Weniger schon geklärt«, fuhr Leipold fort.
»Gut. Und warum kommst du nicht mit?«
Leipold sah ihn verständnislos an. »Ich habe Weniger erzählt, dass Jale wegen ihrer kranken Mutter in Istanbul ist. Dringender Notfall.«
»Wahrscheinlich auch, dass sie sich gemeldet hat und es ihrer Mutter wieder bessergeht?«
»Genau. Das war doch deine eigene Idee! Ich weiß nicht mehr, beim vierten oder fünften Weißbier.«
Demirbilek nahm die Information regungslos zur Kenntnis. »Was habt ihr über die Diplomatin herausbekommen?«
»Nicht viel, ehrlich gesagt. Es gibt eine offizielle Verlautbarung, sie sei ehrenamtlich für die Fair-Trade-Organisation tätig, sonst habe sie mit den Geschäften nichts zu tun.«
»Schriftlich?«
Leipold holte das Schreiben von seinem Schreibtisch und reichte es ihm.
Demirbilek überflog es. »Gewäsch.«
»Gewäsch liest sich im Türkischen und Deutschen bestimmt gleich«, gab er sich solidarisch.
Der Sonderdezernatsleiter fragte sich, ob er und Leipold seit der gestrigen Biergartenbesprechung Blutsbrüder waren. Nach seinem Lächeln zu urteilen, musste es wohl so sein. Zu viel Harmonie war aber dem Türken suspekt. Ihm war eine ehrliche Konfrontation lieber.
»Soll ich Weniger umstimmen?«
»Nein, schon gut. Vierkant und ich schmeißen den Laden hier. Du und Jale schnappt euch die beiden in Istanbul.«
Wie zu erwarten war, quoll der Gebetsraum der islamischen Gemeinde in der Tegernseer Landstraße über, den Demirbilek eine Weile später betrat. Glücklich darüber, seinen Sohn zu sehen, umarmte er Aydin und küsste ihn auf die Wangen. Gemeinsam unterhielten sie sich mit den anderen Gläubigen. Es waren nicht nur türkische Landsleute gekommen, Muslime aus aller Herren Länder feierten das Ende des Ramadans.
Nach dem Feiertagsgebet zogen sie sich die Schuhe wieder an. Auf dem Weg hinaus griff Demirbilek zum Trolley, den er im Vorraum abgestellt hatte. Aydin wunderte sich und wollte wissen, wohin er verreise.
Demirbilek nahm ihn in den Arm. Er strahlte. Die Vorfreude war groß. »Ich fliege heim nach Istanbul.
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