Biest: Thriller (German Edition)
kleine Klicks in einer tödlichen Sinfonie. Er musste sich keine Sorgen machen, das Material war sicher verstaut. Ihm wurde es nicht gefährlich, aber die Messwerte waren aussagekräftig genug, um zu beweisen, dass sich im Laderaum tatsächlich das befand, was er bestellt hatte. Jedes Klicken stand für dreißig atomare Teilchen, die die Röhre erreichten. Der Geigerzähler maß die natürlich Strahlung so wie die des radioaktiven Materials, das er für den zweiten, ebenso wichtigen Teil ihres Plans brauchte.
KAPITEL 16
Berlin, Deutschland
21. September 2012, 11.08 Uhr (drei Tage später)
Doreen Kaiser floh vor der Kälte des Schneetreibens ins nächste Geschäft, das Gebläse, das die Kälte draußenhalten sollte, wehte ihr Haare ins Gesicht. Nicht zu teuer, nicht zu billig, hatte Thomas, oder wie immer er sich jetzt nannte, gesagt. Ein Beamtentyp, Jahresgehalt von knapp fünfzigtausend Euro, ging es Doreen durch den Kopf, als sie auf der Rolltreppe in die Damenabteilung fuhr. Hier bin ich schon mal nicht verkehrt: keine Designerware, aber ein gewisser Schick von Markenklamotten in gedeckten Farben, eher Strick als Seide. Während die silbernen Stufen sie nach oben trugen, warf sie aus alter Gewohnheit einen Blick zurück: Folgte ihr jemand? Für Doreen Kaiser war es, als kehrte sie in ihre Jugend zurück, die Zeit von 1985–1989 als sie für das Ministerium für Staatssicherheit Aufträge erledigt hatte, die sehr viel mit ihrem guten Aussehen und noch ein wenig mehr mit ihrem Charakter zu tun gehabt hatten. Als Thomas Eisler zum zweiten Mal in ihrem Leben aus dem Nichts aufgetaucht war, um ihr eine Chance anzubieten, mitten in ihrem neuen Leben im Büro des Casinos, direkt neben der Zimmerpflanze, da hatte ihr Herz einen Sprung gemacht. Und sie hatte keine Sekunde gezögert, mit ihm zu gehen, natürlich nachdem sie noch alles in Ordnung gebracht hatte. Doreen war sich nicht sicher, ob es daran lag, dass er in den Jugendjahren ihre wichtigste Bezugsperson gewesen war, oder ob es an der Aussicht auf ein wenig Aufregung lag. Oder auch einfach nur am Geld, dachte sie und strich mit den Fingerkuppen über das dicke Bündel Geldscheine, das in ihrer abgetragenen Handtasche neben der neuen Kreditkarte steckte. Wenigstens komme ich zu ein paar neuen Klamotten, entschied sie und machte sich wie eine Katze auf die Jagd durch die Gänge mit dem Plastikbodenbelag, der nach Marmor aussehen sollte, bisweilen unterbrochen von einzelnen Teppichinseln, die dazu einluden, stehen zu bleiben.
Eine gute Stunde später hatte sie mehrere Kleider, drei Hosen, eine Jeans und vier Blusen auf dem Arm und steuerte die Anprobekabinen an. Eine nicht übermäßig dienstbeflissene Verkäuferin, deren Lustlosigkeit vermutlich darin begründet lag, dass Doreen aussah, als wolle sie die schönen Sachen nur einmal anprobieren, aber niemals ernsthaft erwerben, hielt ihr einen Vorhang zur Seite. Doreen ignorierte sie und betrat eine der anderen Kabinen. Nicht ohne sich zu vergewissern, dass keine Überwachungskamera an der Decke oder hinter dem Spiegel angebracht war, zog sie den Vorhang zu und begann sich auszuziehen. Nacheinander probierte sie mehrere exakt aufeinander abgestimmte Outfits, die ihre weiblichen Rundungen zur Geltung brachten, ohne auffällig sexy zu wirken. Denk daran, es geht um einen Beamten in etwa meinem Alter, also Mitte vierzig bis fünfzig, ermahnte sie sich. Er sollte ja schließlich keinen Herzinfarkt bekommen beim ersten Anblick. Und so, wie sie Thomas’ Plan verstanden hatte, würde es nicht ausreichen, ihn einmal zu verführen, ihm schwebte eine länger angelegte Beziehung vor. Mindestens drei Monate würde sie dauern, vielleicht vier, gemeinsame Zukunftsplanung inklusive. Doreen wusste noch nicht viel über die Zielperson und noch weniger über die gesamte Aktion, die Eisler in der einfachen, aber großzügigen Vierzimmerwohnung über einem Media Markt in der Nähe vom Alex plante. Das Strickkleid gefiel ihr, es sah irgendwie nach Rom oder Mailand aus. Mit braunen Stiefeln und einem dicken Armreif aus Kupfer würde es noch besser aussehen, was Doreen in einer mentalen Notiz vermerkte. Wie er wohl sein würde, der Mann, auf den sie angesetzt werden sollte? Er stehe noch nicht fest, hatte Thomas gesagt, als sie mit einem Glas Orangensaft auf seiner Couch gesessen hatte, es gebe nach wie vor vier Kandidaten. Ob sie für alle als Lockvogel vorgesehen war? Sie war sich bewusst, dass sie für ihre zweiundvierzig Jahre gut
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