Biest: Thriller (German Edition)
dass das einen Vorteil bringt. Also tretet den Beweis an. Beweist mir bei unserem aktuellen Fall, dass die Statistik den Unterschied macht. Dann kriegst du dein Studium. Und die Stelle.«
KAPITEL 25
London, England
14. Dezember 2012, 22.49 Uhr (zwei Tage später)
Das Biest blickte aus dem bodenlangen Fenster seines Apartments in Canary Wharf über die Themse und die glitzernden Lichter von London. Hinter seinem Rücken stand einer von zwei Männern, denen er vollends vertraute, obwohl oder vielleicht gerade weil seine Gegenwart selbst ihn schaudern ließ. Der Engländer trug einen roten Rollkragenpullover unter einem feinen Mantel aus Kamelhaar, seine Haare waren nach hinten gegeelt und umrahmten ein kantiges Gesicht mit einer wulstigen Stirn, unter der stark hervortretende Augäpfel lagen. Doch nicht nur deshalb wirkte sein Blick wie von einer Krankheit gezeichnet, es war vor allem das Fehlen jeglichen Lebens, das die Augen wie abgestorben aussehen ließ. Eine Krankheit der Seele. Wie eine Totenmaske an einem lebendigen Körper. Seine Bewegungen waren vorsichtig, sie wirkten beinahe wie mechanisch verlangsamt oder als ob man ihn in Zeitlupe betrachtete. Künstlich beherrscht. Das Biest griff zu seinem Weinglas, um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen.
»Sie haben neue Anweisungen für mich, Sir?«
Er fragte es wie ein Anfänger in Spencer’s Butler School. Nicht neutral und bei Weitem nicht freundlich genug. Außerdem schien er seine eigene Agenda zu verfolgen, auch wenn er bisher jeden Auftrag zu seiner Zufriedenheit ausgeführt hatte.
»Sie sind mit unseren Plänen in Moskau vertraut?«
»Selbstverständlich.« Geflüstert. Auf der Themse fuhr ein Vergnügungsboot vorbei, auf dem die Menschen einen Vertriebserfolg feierten oder eine Tanzparty veranstalteten. Europa würde nicht mehr lange tanzen, vermutete das Biest.
»Brennen Sie die Brücken hinter uns ab. Moskau ist überflüssig geworden.«
»Meinen Sie das wörtlich? Oder darf ich das als Metapher verstehen?«, fragte der Mann in dem Kamelhaarmantel. Das Biest spürte, wie seine Augen verquollen auf seinen Rücken starrten. Leblos.
»Verstehen Sie es, wie Sie es für richtig halten. Aber vor allem meine ich: vollständig.«
Das Biest trank einen weiteren Schluck von dem edlen Riesling aus Deutschland, dessen Preise bald explodieren würden. Verstrahlte Reben. Und nicht nur der Wein würde teurer werden. Als er sich umdrehte, war der Engländer verschwunden.
KAPITEL 26
Paris, Frankreich
18. Dezember 2012, 12.15 Uhr (vier Tage später)
Marcel betrat das siebte Geschäft des heutigen Tages leicht angesäuert. Solveigh hatte ihn erst am Morgen angerufen und angekündigt, dass sie spontan eine Nacht in Paris verbringen würde – bei ihm – und dass es voraussichtlich ihre letzte Chance sei, in diesem Jahr zusammen Weihnachten zu feiern. Und natürlich erwarte sie kein Geschenk, das wäre ja auch viel zu kurzfristig, und nein, es sei ihr klar, dass er zu tun habe. Trotzdem konnte Marcel es natürlich nicht dabei belassen. Trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Affäre mit Yael. Und so klapperte er eben einen Laden im Marais nach dem anderen ab, eine ganze Woche vor Heiligabend und ganze drei Stunden vor seinem Treffen mit dem Chefredakteur, das nicht einfach nur wichtig, sondern geradezu überlebenswichtig für ihn war. Zumindest was seine weitere Karriere anging. Der »Echo« hatte Wort gehalten und ihn seine Story in Ruhe recherchieren lassen. Von dem Plan, eine Woche nach seiner Rückkehr aus Israel erste Ergebnisse präsentieren zu können, hatte sich Marcel allerdings schnell verabschieden müssen. Es hatte ihn fast zweieinhalb Monate gekostet, die Fakten zu sammeln und zu einer halbwegs sinnvollen Theorie zusammenzubasteln. Und langsam machte der Chefredakteur Druck. Und nicht zu knapp. Während er versuchte, die Preisschilder der sündhaft teuren Klamotten im Vorbeigehen zu lesen, ohne dass die Verkäufer davon etwas mitbekamen, hing er seinen Gedanken nach. Würde es ihm gelingen, die Chefredaktion von seiner Verschwörungstheorie zu überzeugen? Denn viel mehr hatte er immer noch nicht vorzuweisen. Er strich über das weiche Material eines Schals, der 189 Euro kostete. Cashmere. Aber er würde ihr gefallen: gewebt aus blauen und schwarzen Fasern und mit kleinen Troddeln am Ende, die ihn leicht verwaschen und gebraucht aussehen ließen. Solveigh stand auf kostbare Accessoires, denen man den Preis nicht ansah. Kurz entschlossen
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