Big Bad City
fragte Carella.
»Ich war heute nachmittag gar nicht auf dem Hinterhof«, sagte Harding.
»Muß irgendwann nach drei gewesen sein«, sagte Brown.
»Warum denn das?«
»Weil wir um drei gegangen sind.«
»Ich hab weder vorher noch nachher jemanden gesehen, weil ich nicht mehr auf dem Hinterhof war, nachdem ich diese Wäscheleine repariert hatte.«
»Haben Sie ‘nen Furz quer sitzen, Mister?« fragte Brown.
»Ich hab nur was gegen Cops, die einen herumschubsen, mehr nicht«, sagte Harding.
»Vielleicht möchten Sie lieber mit aufs Revier kommen und dort ein paar Fragen beantworten«, sagte Brown wütend. »Ist Ihnen das lieber, Sir?«
»Sie haben keinen Grund, mich zu verhaften«, sagte Harding.
»Wenn Sie versuchen, Ermittlungen in einem Mordfall zu behindern…«
»Laß gut sein, Artie«, sagte Carella.
»Der Mann regt mich allmählich auf. Eine Frau wurde ermordet, und er führt sich auf, als…«
»Laß gut sein«, wiederholte Carella. »Suchen wir lieber diesen Brief.«
Harding blieb in der Türöffnung stehen, während sie suchten, die Arme vor der Brust verschränkt, einen selbstgefälligen Ausdruck auf dem Gesicht. Brown hätte dem Arschloch am liebsten eine reingehauen. In der Nachttischschublade fanden sie die Bücher, die sie schon vorher hatten mitnehmen wollen…
»Die nehmen wir jetzt mit«, sagte Carella.
Harding nickte.
… aber nicht den Brief, den Mary Vincent gegenüber Pater Clemente erwähnt hatte.
Oder irgendeinen anderen Brief.
Weder in dem Nachttisch noch sonstwo.
»Wenn Sie hier fertig sind …«, sagte Harding. »Ich habe auch noch was zu tun.«
Brown dachte an all die Verstöße gegen die Brandschutz- und Bauverordnungsvorschriften, die ihm während des anstrengenden Aufstiegs zum sechsten Stock aufgefallen waren: die durchgebrannte Glühbirne auf dem Treppenabsatz im ersten Stock, das überstrichene Fenster des Luftschachts im dritten Stock, die nicht verputzte Stromleitung im fünften Stock, die aufeinandergestapelten Kartons, die im sechsten Stock den Weg versperrten.
Er lächelte wie ein Buddha.
Falls Mary Vincents Terminkalender Rückschlüsse auf ihr gesellschaftliches Leben zuließ, hatte die Nonne in den letzten vierzehn Tagen vor ihrem Tod ziemlich viel zu tun gehabt. Der Kalender führte auf:
11. August:
18.30
Felicia @ CM
14. August:
19.00
Jenna und Rene - Hier
15. August:
19.30
Michael @ Med
18. August: 18.00
Frank @ OLF
20. August: 17.00
Annette @ CM
Mit Pater Frank Clemente von Our Lady of Flowers und Schwester Annette Ryan vom Kloster Christ’s Mercy hatten sie bereits gesprochen. Eine Überprüfung der Vornamen in Marys Adreßbuch ergab, daß Felicia Locasta eine Nonne im Christ’s Mercy war, Jenna DiSalvo und Rene Schneider examinierte Krankenschwestern im St. Margaret’s und Dr. Michael Paine Arzt im Krankenhaus.
Es war noch relativ früh am Montagabend.
Sie klemmten sich hinter die Telefone.
5
»Sie hatte ziemliche finanzielle Probleme«, sagte Schwester Felicia Locasta. »Deshalb war sie an diesem Abend wohl bei mir. Bevor ich in den Orden eintrat, habe ich Mathematik studiert. Wir haben oft über finanzielle Angelegenheiten gesprochen.«
Die Detectives waren bei Anbruch der Morgendämmerung wieder in Riverhead, im Kloster der Sisters of Christ’s Mercy, und saßen in einem kleinen Raum gegenüber der Kapelle, der mit einer Kaffeemaschine, einem Kühlschrank und einem Waschbecken ausgestattet war.
»Bitte sagen Sie einfach Felicia zu mir, okay?« sagte sie. »Ich meine, klar, es gibt Nonnen, die auf dem >Schwester< bestehen, aber die sind alle hundert Jahre alt.«
Felicia war Mitte Dreißig, eine Frau mit dunklen Augen und schwarzem Lockenhaar, das sie auf dem Hinterkopf mit einem einfachen Gummi zusammengebunden hatte. Sie trug Jeans, Halbschuhe ohne Socken und ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift SISTERS OF CHRIST’S MERCY…
»… das Schwester Carmelita vielleicht nicht angemessen finden würde«, sagte sie und betonte das Wort übertrieben, »aber sie ist in San Diego, und ich bin hier. Außerdem bin ich eine Sister of Christ’s Mercy, und ich trage das nur hier, bevor ich zur Arbeit gehe, wie spät ist es überhaupt?«
Es war sieben Uhr am 25. August, einem mörderisch heißen Dienstag, obwohl die Sonne gerade erst aufgegangen war. Nun ja, das war vielleicht etwas übertrieben, aber es war heiß, Mann! Felicia hatte ihnen gestern abend gesagt, daß sie pünktlich um neun auf
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