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Big Bad City

Big Bad City

Titel: Big Bad City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed McBain
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und er glaubt zuerst, sie hätte an diesem Tag einen Patienten verloren, von denen ja so viele todkrank sind. Aber nein, das ist es nicht, sie versichert ihm, daß im Krankenhaus alles in Ordnung ist, einfach alles in Ordnung, Frank, vielen Dank für Ihre Besorgnis.
    Einige Nonnen haben Alkoholprobleme; einige Priester übrigens auch. Sie haben keinen leichten Weg gewählt, und manchmal können die Belastungen des religiösen Lebens schier überwältigend sein. Die Kirche unterstützt die Unglücklichen, die Hilfe benötigen, mit speziellen Programmen, aber Mary gehört nicht dazu, und er auch nicht.
    Er bewahrt in einem Schrank in seinem Arbeitszimmer eine Flasche zwölfjährigen Scotch auf, und dort mixt er auch ihre Drinks. Zwei Fingerbreit Scotch in einem hohen Muranoglas, das Pater Frank in Italien gekauft hat, als er im letzten Sommer seine Audienz bei Papst Johannes hatte. Drei Eiswürfel. Das Glas bis zum Rand mit Soda gefüllt. Für ihn dasselbe. Sie nehmen die Drinks mit in den Garten hinaus und setzen sich hier an denselben steinernen Tisch, an dem er nun mit den Detectives sitzt.
    An diesem Abend sind die Insekten sehr laut.
    Sie lauschen der Nacht, die sie umgibt.
    »Bereitet Ihnen irgend etwas Sorgen?« fragt er schließlich.
    »Nein, Frank.«
    »Sie kommen mir… keine Ahnung. Reserviert vor.«
    »Nein, nein.«
    »Wenn Sie irgend etwas haben, sagen Sie es mir bitte. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
    »Kommen Sie sich je…« fragt sie und zögert dann.
    Er wartet. Er weiß, daß es sinnlos ist, sie zu bedrängen. Wenn sie ihm verraten will, was ihr auf dem Herzen liegt, wird sie es aus eigenem Antrieb tun. Seit sie hierher gezogen ist, hat er jede Woche ihre Beichte gehört. Sie weiß, daß sie ihm vertrauen kann. Er wartet.
    »Daß die Vergangenheit und die Gegenwart…« setzt sie von neuem an und zögert erneut.
    Das Geräusch der Insekten kommt ihm plötzlich ohrenbetäubend vor. Er wünschte, es gäbe einen Lautstärkeregler, wünschte, er könne die Geräusche des Universums ausblenden und direkt in Marys Geist spähen, dort entdecken, was auch immer sie in so gedrückte Stimmung versetzt hat, ihr helfen, es ihm zu enthüllen, es Gott zu enthüllen, damit er es versteht und ihr Gnade gewährt, ihr vergibt, falls es irgend etwas zu vergeben gibt.
    Doch er wartet.
    Nippt wieder an seinem Drink. Wartet.
    Die Insekten sind geradezu unverschämt laut.
    »Ich meine…« sagt sie. »Frank, haben Sie je das Gefühl, daß die Vergangenheit von der Gegenwart bestimmt wird?«
    »Das meinen Sie genau umgekehrt, nicht wahr?« sagt er.
    »Ganz und gar nicht.«
    »Sie behaupten, die Gegenwart bestimmt…?«
    »Ja, die Vergangenheit. Was wir heute tun, bestimmt, was gestern bereits passiert ist.«
    »Treten wir jetzt in eine Diskussion über Willensfreiheit ein?«
    »Ich hoffe nicht.«
    »Determinismus? Vorherbestimmung?«
    »Das meine ich nicht…«
    »Doppelte Vorherbestimmung? Calvinismus? Bin ich wieder beim Seminar?«
    »Ich scherze nicht, Frank.«
    »Wie können Sie ernsthaft annehmen, die Zukunft bestimmt die…?«
    »Nicht die Zukunft. Die Gegenwart.«
    »In der Vergangenheit ist die Gegenwart die Zukunft, Mary.«
    »Ja, aber ich spreche von jetzt. Von der unmittelbaren Gegenwart.«
    »Können Sie mir ein konkretes Beispiel nennen?« sagt er und denkt, wenn er sie vom Abstrakten zum Detail bringen kann, kann er sie vielleicht auch dazu bringen, über das zu sprechen, was ihr wirklich Sorgen bereitet. Denn eine metaphysische Diskussion ist ganz bestimmt nicht das, was sie …
    »Sagen wir mal, zum Beispiel…«
    Sie nippt langsam an dem Drink.
    »Sagen wir mal, wir sitzen hier und genießen unseren Scotch…«
    »Was wir ja auch tun.«
    »Hier in der Gegenwart. Dieser Augenblick ist die Gegenwart.«
    »Das ist er ganz bestimmt.«
    »Kommt Ihnen das wirklich so komisch vor, Frank?«
    »Entschuldigung.«
    »Ich will damit sagen … glauben Sie, daß der Umstand, daß wir hier und jetzt, in der Gegenwart, diesen Scotch trinken, Sie irgendwie dazu gebracht hat, ihn zu kaufen, als Sie ihn gekauft haben?«
    »Nein, das glaube ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich ihn nicht gekauft habe. Charles hat ihn mir geschenkt. Er hat ihn mir aus Glasgow mitgebracht.«
    »Na gut, als er ihn dann gekauft hat, wann immer das war…«
    »Vor drei Monaten…«
    »Wurde seine Handlungsweise davon beeinflußt, daß wir den Scotch in diesem Augenblick trinken? Hat er damals, vor drei Monaten in Glasgow, irgendwie

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